Maklerbedingungen: Wenn die AGB-Kontrolle verwehrt bleibt

Die Verwendung unklarer, überraschender oder unangemessener Klauseln in Versicherungsbedingungen ist keine Seltenheit. Wenn eine Klausel durch ein Gericht für unwirksam erklärt wird, kann das für den Versicherungsnehmer von Vorteil sein. Die sogenannte AGB-Kontrolle ist deshalb ein wichtiges juristisches Instrument in der versicherungsrechtlichen Auseinandersetzung.

Mitunter kann das Instrument der AGB-Kontrolle jedoch nicht zum Einsatz kommen, weil der Versicherer nicht eindeutig als „Verwender“ der Bedingungen erkennbar ist, etwa weil entscheidende Klauseln zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt und daher nicht vom Versicherer vorgegeben wurden. Gerade bei der Verwendung so genannter Maklerbedingungen besteht stets die Gefahr, dass sich der Versicherungsnehmer im Deckungsstreit nicht auf die Intransparenz oder Unangemessenheit einer Klausel berufen kann. Für Versicherungsmakler kann sich daraus ein Haftungsrisiko ergeben. 

1. AGB-Kontrolle in der Industrieversicherung

Rechtsgrundlage nahezu sämtlicher Versicherungsverträge sind Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB). Als Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen AVB grundsätzlich der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB. Das heißt, Klauseln dürfen weder unklar und überraschend (§ 305c BGB) sein, noch den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen (§§ 307 ff. BGB). 

Überraschende Klauseln in AVB werden nicht Vertragsbestandteil. Klauseln, die den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen, sind unwirksam. Nach der Zweifelsregel gehen Verständniszweifel zulasten des Verwenders der AVB. Verwender ist diejenige Vertragspartei, die die Bedingungen in das Vertragsverhältnis einbrachte. Das ist in der Regel der Versicherer.

Die richterliche AGB-Kontrolle hat erhebliche Praxisrelevanz. Einbeziehungskontrolle, Transparenzkontrolle, Inhalts- bzw. Angemessenheitskontrolle und AGB-rechtliche Zweifelsregel verhelfen nicht selten Ansprüchen des Versicherungsnehmers im Deckungsprozess zum Erfolg. In der aktuellen Diskussion um Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung etwa spielt die AGB-rechtliche Prüfung der Wirksamkeit einzelner Klauseln eine zentrale Rolle. 

Die Praxisrelevanz schlägt sich auch in einer erheblichen Zahl wegweisender Entscheidungen der Gerichte der letzten Jahre nieder, z.B.: 

  • Intransparente Effekten- und Prospekthaftungsklausel in der Rechtsschutzversicherung (2013)[1]
  • Unwirksame Anrechnungsklausel in der Warenkreditversicherung (2014)[2]
  • Unwirksamer Leistungsausschluss für Schimmelschäden in der Gebäudeversicherung (2017)[3]
  • Intransparente Vorerstreckungsklausel in der Rechtsschutzversicherung[4]

2. Das Problem der Maklerbedingungen

In der Industrieversicherung kommen häufig sogenannte Maklerbedingungen zum Einsatz. Es handelt sich dabei um AVB, die der Versicherungsmakler auf Grundlage der ihm bekannten Marktstandards – oftmals an einigen Stellen optimiert – den Vertragsparteien bereitstellt. Das kann in der Schadenregulierung Folgen haben:

2.1 Wer ist „Verwender“?

Das Problem der Maklerbedingungen ist, dass durch ihren Einsatz mitunter fraglich sein kann, wer Verwender der AVB ist und zu wessen Lasten beispielsweise Auslegungszweifel gehen.

Ein Beispiel:

Nach einem Schadenfall verweigert der Versicherer seine Leistung. Er wirft dem Versicherungsnehmer vor, gegen eine vertragliche Obliegenheit zur Einhaltung von Sicherheitsvorschriften verstoßen zu haben. Der Versicherungsnehmer hält dagegen: Die entsprechende Klausel sei unklar und damit unwirksam. Der Versicherer habe zu zahlen. 

Der Versicherungsnehmer hat mit dieser Argumentation nur dann Aussicht auf Erfolg vor Gericht, wenn der Versicherer tatsächlich als Verwender der AVB anzusehen ist. Das ist bei vereinbarten Maklerbedingungswerken allerdings nicht eindeutig gegeben. Hält das Gericht wegen der auf Betreiben des Maklers einbezogenen AVB den Versicherungsnehmer für den Verwender der AVB, so kann der Versicherungsnehmer nicht einwenden, dass Verständniszweifel bei der Auslegung des Vertrages zulasten des Versicherers gehen.

2.2 Was sagen die Gerichte?

Zu der umstrittenen Bewertung von Maklerbedingungswerken nahm der BGH mit Beschluss vom 22. Juli 2009 (IV ZR 74/08 = VersR 2009, 1477) Stellung:

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Versicherungsnehmer einen D&O-Versicherungsvertrag auf Vermittlung eines Versicherungsmaklers geschlossen. Dem Vertragsschluss zugrunde lag dann ein Maklerbedingungswerk, das vom Versicherungsmakler entworfen und auf dessen Betreiben in den Vertrag einbezogen wurde. Der D&O-Versicherer verwendete bei Vertragsschlüssen ohne Vermittlung des betreffenden Versicherungsmaklers sein eigenes (abweichendes) Bedingungswerk. Vor Gericht hatte der Versicherungsnehmer argumentiert, eine mit dem Maklerbedingungswerk vereinbarte Klausel zum Claims-made-Prinzip sei unklar und damit unwirksam. 

Der BGH wies den Rechtsbehelf des Versicherungsnehmers zurück. Der Versicherer sei nach Auffassung des BGH nicht Verwender der AVB, wenn die AVB von einem Versicherungsmakler entworfen und auf dessen Betreiben in den Vertrag einbezogen wurden. Eine Überprüfung der gerügten Klausel durch AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB schloss der BGH aus. 

Zur Begründung heißt es in der Entscheidung, dass Verwender von AVB derjenige sei, auf dessen Veranlassung die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen in den Vertrag zurückgeht. Das sei in der entschiedenen Fallkonstellation jedenfalls nicht der Versicherer. 

2.3 Einzelfallbetrachtung erforderlich

Trotz der BGH-Entscheidung greift es zu kurz, bei Maklerbedingungen pauschal darauf zu schließen, es lägen keine AVB des Versicherers vor. 

Entscheidend ist, ob Klauseln zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (bzw. Makler) verhandelt sind. Grundsätzlich nur dann ist der Versicherer nicht als Verwender der AVB anzusehen. Das Maklerbedingungswerk als AVB des Versicherungsnehmers anzusehen, dürfte nur in begründeten Ausnahmefällen infrage kommen. 

Maklerbedingungswerke beinhalten häufig Klauseln, die durch den Makler zwar vorformuliert sind, die aber der Versicherer standardmäßig verwendet. Übernimmt der Makler diese Klauseln des Versicherers in sein Bedingungswerk, dann gebietet der Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB, die Klauseln als durch den Versicherer gestellt zu betrachten. Der Schutzzweck der AGB-Kontrolle drohte leerzulaufen, wenn seitens des Versicherers ohnehin nicht zu Disposition gestandene Klauseln dem Versicherungsnehmer zugerechnet würden. Wenn der Makler Klauseln des Versicherers in das Maklerbedingungswerk übernimmt, weil am Markt keine andere Regelung durchsetzbar ist, dann sind die Klauseln als AVB des Versicherers zu werten (Schimikowski r + s 2012, 577, 580). 

Richtigerweise ist Klausel für Klausel zu prüfen, ob AVB des Versicherers vorliegen oder ob Klauseln verhandelt sind. 

Es bleibt aber stets das Risiko, dass ein Gericht die Maklerbedingungen wie im dargestellten BGH-Fall nicht als AVB des Versicherers qualifiziert und der Versicherungsnehmer dadurch seine Versicherungsansprüche nicht durchsetzen kann. Versicherungsmakler sollten also dafür Sorge tragen, dass ihre Bedingungen nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen.

3. Praxisempfehlungen für Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer

Scheitern versicherungsvertragliche Deckungsansprüche an der unklaren Klauselgestaltung, kann das für den Makler haftungsrechtliche Relevanz haben. Aber nicht alle Strategien zur Sicherstellung der AGB-Kontrolle der Versicherungsbedingungen sind zielführend. 

Vertragliche Regelungen im Bedingungswerk, die Auslegungs- und Transparenzrisiken dem Versicherer zuweisen funktionieren häufig nicht oder sind risikoreich. Verlässliche Sicherheit bei der Anspruchsdurchsetzung bietet nur eine saubere Dokumentation der Verhandlungen von Makler und Versicherer. 

3.1 Verwenderklausel / Aushandlungsklausel

In der Praxis sehen wir häufig Versuche, durch vertragliche Bestimmung der Verwender-Rolle Risiken zu minimieren. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten. 

Beispiel-Klausel:

„Als Verwender der AVB im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB gilt der Versicherer.“ 

Den Versicherer durch vertragliche Vereinbarung als Verwender der AVB festzulegen ist nur scheinbar zielführend. Es ist zweifelhaft, ob durch vertragliche Wahl des Verwenders zugunsten des Versicherungsnehmers der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB eröffnet wird. Wer Verwender der AVB im Sinn von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB ist, ist regelmäßig nicht durch die Vertragsparteien zu entscheiden. Denn anderenfalls bestünde die Möglichkeit zum Missbrauch. Maßgeblich für die Eigenschaft als Verwender sind daher die tatsächlichen Verhältnisse und nicht die Festlegung durch die Parteien (vgl. Steinkühler, Kassing, VersR 2009, 1477, 1478). 

Ebenso zu beobachten sind Klauseln zur Verhandlung des Bedingungswerks. Diese Klauseln sollen durch vertragliche Vereinbarung festschreiben, dass es sich um ein ausgehandeltes Bedingungswerk handelt. Definitionsgemäß lägen damit keine AVB vor und die AGB-Kontrolle hätte keine Anwendung. Für solche Klauseln gelten dieselben Bedenken. Ob eine Klausel zwischen den Parteien verhandelt wurde, ist eine Frage der tatsächlichen Gegebenheiten. Sie dürfte nicht zur Parteidisposition stehen. Bei formularmäßiger Verwendung kann eine solche Klausel auch gegen § 309 Nr. 12 BGB verstoßen (verbotene Beweislastregel, vgl. Hösker, VersR 2011, 29, 40). 

3.2 Vertragliche Unklarheitenregelung

Keine Rechtssicherheit für den Versicherungsnehmer dürften auch Klauseln zu Auslegungszweifeln bieten. 

Beispiel: 

„In entsprechender Anwendung des § 305c Absatz 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der AVB zulasten des Versicherers.“

Auch diese Klauselgestaltung ist bedenklich. Denn die Zweifelsregel in § 305c Abs. 2 BGB ist zwingendes Gesetzesrecht. Dass die Parteien sie durch vertragliche Vereinbarung abändern, dürfte den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung verletzen. 

3.3 Dokumentation

Eine sichere und berechenbare Grundlage für Makler und Versicherungsnehmer bietet eine gute Dokumentation der Verhandlung des Bedingungswerks. Im Deckungsprozessen kann diese Dokumentation streitentscheidend werden. Der Makler sollte im Kundeninteresse die auf sein Betreiben in das Bedingungswerk gelangten Klauseln dokumentieren; ebenfalls die Klauseln, die seitens des Versicherers nicht zur Disposition standen. Ein Bestätigungsvermerk durch den Versicherer ist sinnvoll. Soweit dies möglich ist, sollte die Einbeziehung auf Veranlassung des Versicherers stattfinden. 

Für den Versicherungsnehmer ist die Dokumentation von entscheidendem Vorteil. Durch eine sorgfältige und lückenlose Dokumentation kann der Versicherungsnehmer belegen, ob und inwieweit die vereinbarten Klauseln für ihn verhandelbar waren. Er kann im Deckungsprozess substantiiert zur Vertragsverhandlung vortragen. Wenn der Versicherer bei Abschluss des Vertrages bestätigt, welche Klauseln er standardmäßig verwendet, dann kann dem Versicherer der Einwand verwehrt sein, die Maklerbedingungen wären ausgehandelt oder AVB des Versicherungsnehmers. Denn in der Bestätigung kann ein Einredeverzicht zu sehen sein, sie kann auch zu einer Umkehr der Beweislast führen. 

4. Fazit

Die Frage, ob eine Klausel AGB-rechtlich wirksam ist, bekommt im Deckungsstreit zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer häufig Bedeutung. Auslegungszweifel gehen üblicherweise zu Lasten des Versicherers. Durch den Einsatz von Maklerbedingungen kann dem Versicherungsnehmer jedoch im schlimmsten Fall die gerichtliche AGB-Kontrolle verwehrt bleiben. Versicherungsmakler sollten insbesondere durch ausführliche Dokumentation der Abläufe vor dem Vertragsschluss sicherstellen, dass weiterhin der Versicherer als Verwender der Versicherungsbedingungen anzusehen ist.

Autor: Tobias Wessel

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die VersicherungsPraxis Ausgabe 06-2021

Quellen:

[1] BGH, Urteil vom 8. 5. 2013 – IV ZR 84/12 (NJW 2013, 2739)

[2] BGH, Urteil vom 22.1.2014 – IV ZR 343/12 (NJW-RR 2014, 604)

[3] BGH, Urteil vom 12.7.2017 – IV ZR 151/15 (NJW 2017, 2831)

[4] BGH, Urt. v. 4. 7. 2018 – IV ZR 200/16 (r+s 2018, 425)

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