Darlegung des Eigenschadens in der Industriesachversicherung

Nach Eintritt eines Versicherungsfalls in der Industriesachversicherung setzt der geschädigte Versichernehmer zur Behebung des Schadens häufig eigene Arbeitnehmer ein und/oder verwendet eigene Betriebsmittel. Die dafür entstehenden Kosten will der Versicherungsnehmer vom Versicherer ersetzt bekommen. 

Die Darlegung des entstandenen Schadens gestaltet sich in solchen Fällen schwieriger, als wenn ein Drittunternehmen den Schaden beseitigt und dafür eine Rechnung stellt. Nachfolgend stellen wir einige Gesichtspunkte vor, die der Versicherungsnehmer bei der Darlegung des Eigenschadens in der Industriesachversicherung beachten sollte. 

1. Wiederherstellung der beschädigten Sache

Der Versicherer schuldet in der Industriesachversicherung die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der beschädigten Sache. § 88 VVG definiert für die Sachversicherung den Versicherungswert. Dies ist der Betrag, den der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung der versicherten Sache in neuwertigem Zustand unter Abzug des sich aus dem Unterschied zwischen alt und neu ergebenden Minderwertes aufzuwenden hat. 

1.1 Teilschaden oder Totalschaden

Ob der Versicherer die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung schuldet hängt in erster Linie davon ab, ob die geschädigte Sache noch repariert werden kann. Entsprechend unterscheidet man zwischen dem Vorliegen eines Totalschadens oder eines Teilschadens. Der Totalschaden führt zur Erstattung der Kosten der Wiederbeschaffung beziehungsweise des Zeitwerts der beschädigten Sache. 

Der Teilschaden führt zur Erstattung der Kosten der Wiederherstellung. Ein (wirtschaftlicher) Totalschaden liegt auch dann vor, wenn die Kosten der Wiederherstellung erheblich über dem zu entschädigenden Zeitwert der beschädigten Sache liegen. 

1.2 Umfang der Wiederherstellung

Ziel der Wiederherstellungsmaßnahme ist es, die beschädigte Sache in einen technisch gleichwertigen Zustand (wie vor der Beschädigung) zu versetzten. Maßgeblich für die Wiederherstellung ist die frühere Funktionsfähigkeit, Betriebssicherheit und technische Lebenserwartung.[1] Die Definition von Wiederherstellungskosten in einigen Sachversicherungs-Bedingungswerken bezeichnet Wiederherstellungskosten bei Teilschäden als die Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Sache in den Zustand zu versetzten, in dem sie sich unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles befand.[2] 

Gedeckt sind auch die Kosten, die der Vorbereitung und Durchführung der Wiederherstellung dienen.[3] Solche Reparaturbegleitmaßnahmen (z.B. Aufwendungen für Schadenmanagement, Reparaturüberwachung bei komplexer Reparatur, Rechnungsprüfung, Anmieten von Grundstücken für die Lagerung von Reparaturmaterialien) sind ebenfalls als Wiederherstellungskosten vom Versicherer zu ersetzen.

1.3 Kein Ersatz von Vermögensschäden

Vermögensschäden muss der Versicherer (in der technischen Industriesachversicherung) nur dann ersetzen, wenn dies der Versicherungsvertrag ausnahmsweise vorsieht.

Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Schaden keine adäquate (unmittelbare) Folge eines Sachschadens (oder Personenschadens) ist. Beispiele für Vermögensschäden sind der entgangene Gewinn, Ertragsausfälle, steuerliche Nachteile, höhere Versicherungsprämien oder fehlgeschlagene Aufwendungen. Vermögensschäden decken typischerweise Betriebsunterbrechungsversicherungen, die den Deckungsschutz des Versicherungsnehmers sinnvoll ergänzen können.

2. Darlegung des Eigenschadens

Die Geltendmachung von Eigenschäden in der Industriesachversicherung gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig. 

Gerade bei komplexen Schäden nimmt der Versicherungsnehmer die Reparatur aber teilweise mit eigenem Personal und / oder Betriebsmitteln vor. In Einzelfällen führt der Versicherungsnehmer die Reparatur vollständig mit eigenem Personal aus (zum Beispiel wenn es sich um eine vom Versicherungsnehmer speziell konstruierte Anlage handelt).

Ist der Versicherungsnehmer an der Reparatur beteiligt, muss er seine Aufwendung im Rahmen der Wiederherstellung sorgfältig und nachvollziehbar dokumentieren. Es reicht nicht aus, gegenüber dem Versicherer (beziehungsweise gegenüber einem Gericht) die eigenen Wiederherstellungskosten auf Basis von Lohnbuchhaltungsprogrammen zu errechnen. In Einzelfällen kann es zwar durchaus vorkommen, dass ein Versicherer solche Nachweise akzeptiert und den Schaden auf dieser Grundlage reguliert. Führt der Versicherungsnehmer jedoch einen Rechtsstreit gegen den Versicherer, trifft den Versicherungsnehmer hinsichtlich seines Eigenschadens die volle Darlegungs- und Beweislast über die Höhe der entstandenen Kosten. „Pauschale“ Nachweise genügen diesen Anforderungen nicht.

Die nachstehenden drei Schadenpositionen spielen im Rahmen des Eigenschadens regelmäßig eine wichtige Rolle.

2.1 Einsatz eigener Arbeitnehmer zur Schadenbeseitigung

Setzt der Versicherungsnehmer eigene Arbeitnehmer zur Schadenbehebung ein, sollte er die geleisteten Stunden so detailliert wie möglich erfassen. Zudem muss der Versicherungsnehmer die Stundensatzhöhe nachvollziehbar darlegen. Der abgerechnete Aufwand sollte einem Drittvergleich unter Marktgesichtspunkten standhalten.

Erfassung der geleisteten Arbeitsstunden

Der Versicherungsnehmer sollte aussagekräftige „klassische“ Stundenzettel benutzen, aus denen sich (chronologisch) ergibt, welcher Mitarbeiter an welchem Tag wie lange welche Leistungen zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erbrachte. Nimmt ein Arbeitnehmer neben der Schadenbehebung noch andere Aufgaben für den Versicherungsnehmer wahr, muss sich aus den vorgelegten Stundenzetteln genau erkennen lassen, welcher Zeitaufwand für welche Tätigkeit steht. Der Substantiierungsgrad der Leistungsbeschreibung in den Stundenzetteln sollte demjenigen in einem Werk- oder Dienstvertrag entsprechen. 

Höhe der Stundensätze

Im Hinblick auf die Höhe der abgerechneten Stundensätze muss der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer darlegen, wie sich die Stundensätze errechnen. Der Versicherungsnehmer kann häufig über sein Controlling ermitteln, wie hoch die tatsächlich (unternehmensintern) für den einzelnen Arbeitnehmer kalkulierten Stundensätze sind.

Gemeinkosten des Unternehmers müssen bei der Berechnung der Stundensätze grundsätzlich außer Betracht bleiben. Allenfalls unmittelbar arbeitsplatzbezogene Gemeinkosten dürfen berücksichtigt werden.

Drittvergleich

Der Versicherer kann gegen die Pflicht zur Erstattung der Kosten für den Einsatz der Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers einwenden, dass der Einsatz von Drittunternehmen günstiger gewesen wäre. Dies muss der Versicherer jedoch substantiiert vortragen und gegebenenfalls beweisen. Handelt es sich um eine komplexe Reparatur, dürfte ein solcher Beweis allenfalls durch Vorlage eines detaillierten Kostenvoranschlags (eines Wettbewerbers) gelingen.

„Sowieso“-Kosten

Regelmäßig wenden Versicherer ein, dass die durch eigene Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers erbrachten Wiederherstellungsmaßnahmen „Sowieso“-Kosten sind. Diese Kosten würden unabhängig vom Einsatz der Arbeitnehmer zur Beseitigung des Schadens entstehen.

Es ist daher nötig, dass der Versicherungsnehmer darlegen und gegebenenfalls beweisen kann, dass seine Arbeitnehmer mit anderen Aufgaben und Aufträgen voll ausgelastet waren und durch die vorgenommenen Wiederherstellungsmaßnahmen andere Arbeiten liegen blieben oder an Drittfirmen vergeben werden mussten. 

Zwingend ist diese Argumentation der „Sowieso“-Kosten allerdings nicht. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Geschädigte den Schaden im eigenen Betrieb unter Einsatz von eigenen Arbeitskräften beheben lassen kann.[4] Entscheidend sei, dass eigene Mühewaltung des Geschädigten nicht zur Entlastung des Schädigers führen dürfe. 

2.2 Einsatz von eigenem Betriebsmitteln

Der Versicherungsnehmer kann für die Reparatur eigene Betriebsmittel einsetzen. Betriebsmittel sind zum Beispiel eigene Materialien und Rohstoffe oder Strom und Gas. 

Die hierfür aufgewendeten Kosten sind im Rahmen der marktüblichen Preise erstattungsfähig. Dafür muss der Versicherungsnehmer gegebenenfalls seine abgerechneten Kosten mit den Marktpreisen vergleichen. Das gelingt beispielsweise über die Vorlage von Börsenpreisen (für Rohstoffe, Strom, Gas) oder Marktvergleiche mit Vergleichsmieten etc.

Der Versicherungsnehmer ist nicht verpflichtet seine eigenen Einkaufspreise anzusetzen, sofern diese unter den Marktpreisen liegen. Andernfalls würde der Versicherer davon profitieren, dass der Versicherungsnehmer besonders günstig einkauft. Der Versicherer darf nicht vom Einkaufsgeschick oder der Einkaufsmacht des Versicherungsnehmers profitieren.

2.3 Abrechnung von Reparaturbegleitmaßnahmen

Reparaturbegleitmaßnahmen erfassen bei komplizierten Schäden eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben, die der Versicherungsnehmer im Rahmen des Schadenmangements wahrnimmt. Reparaturbegleitmaßnahmen betreffen zum Beispiel die Beauftragung von Reparaturunternehmen und die Prüfung von Reparaturrechnungen. Auch die Beantragung komplexer öffentlich-rechtlicher Genehmigungen für die Reparatur fällt in diese Kategorie.

Erbringt der Versicherungsnehmer im Rahmen der Schadenbehebung diese Leistungen selbst beziehungsweise durch im Konzernverband verbundene Unternehmen, so kann der Versicherungsnehmer die hierfür entstehenden Kosten abrechnen. Setzt der Versicherungsnehmer dafür eigene Arbeitsnehmer ein, so sollte die Abrechnung einzelner Stunden wie unter Ziffer 3.1 dargelegt erfolgen.

Maßstab sind auch hier die marktüblichen Preise. Wendet der Versicherer gegen die vorgelegte Abrechnung ein, dass die Kosten nicht marktüblich sind, so muss der Versicherungsnehmer im Einzelfall die Marktüblichkeit darlegen.

3. Zusammenfassung

Die Darlegung des Eigenschadens in der Sachversicherung erfordert hohe Sorgfalt. Die Substantiierung des Schadens gegenüber dem Versicherer gestaltet sich dabei umso überzeugender, je detaillierter der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer vorträgt. 

Der Versicherungsnehmer sollte seinen Eigenschaden von Anfang an sorgfältig dokumentieren, da eine nachträgliche Dokumentation meist nur noch unter Schwierigkeiten und mit hohem Zeitaufwand möglich ist. Der Aufwand lohnt sich für den Versicherungsnehmer, denn er verhindert unter Umständen langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen über die Berechtigung und die Höhe der geltend gemachten Schadenpositionen.

Autor: Dr. Fabian Herdter

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die VersicherungsPraxis 03-2013

Literatur:

[1] Vgl. BGHZ 9, 195, 203 f. zu den AFB.

[2] Vgl. bspw. § 7 Nr. 2 AMB 2008 („Wiederherstellung des früheren, betriebsfertigen Zustandes“); § 8 Nr. 2 AMoB 2008 („Entschädigt werden alle notwendigen Aufwendungen für die Wiederherstellung des Zustandes unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls (…)“).

[3] Günther/Eckes in Münchener Kommentar zum VVG, 2010, Band 1, Technische Versicherungen, Rn. 393.

[4] BGH NJW 1980, 1518, 1519.

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