Grenzen und Transparenzfragen des Kriegsausschlusses in der Industrieversicherung

Wie weit reichen Kriege und Konflikte? Der Kriegsausschluss wirft regelmäßig Fragen auf, insbesondere in geopolitisch unruhigen Zeiten. Auswirkungen von Kriegen können zu Deckungsstreitigkeiten zwischen Unternehmen und ihren Versicherern führen.

Das Heidelberg Institute for International Conflict Research („HIIK“) beobachtete im Jahr 2022 insgesamt 363 Konflikte auf der Welt. Von diesen 363 Konflikten wurden 216 Konflikte (das entspricht etwa 60 Prozent) gewaltsam ausgetragen. Die Anzahl der Kriege auf der Welt beziffert das HIIK im Jahr 2022 mit 21.[1]

Mögen viele dieser Konflikte grundsätzlich lokal sein, wirken sich die wirtschaftlichen Folgen dennoch global aus. Betrachtet man nur den Ukraine-Krieg, sind die Zahlen erschreckend. Die Höhe allein der direkten Schäden an Sachanlagen und Infrastruktur wurde nach einem Jahr Krieg auf insgesamt rund 135 Milliarden US-Dollar geschätzt (Stand: 24. Februar 2023).[2]

Krieg birgt somit – neben dem unermesslichen Leid für die betroffenen Menschen – eine große Gefahr für Wirtschaftsgüter. Dies aufgrund der globalen Vernetzung regelmäßig nicht nur in den vom Krieg unmittelbar betroffenen Ländern oder Regionen, sondern auf der ganzen Welt.

Versicherer versuchen dieser Gefahr durch die Vereinbarung sogenannter Kriegs-Ausschlussklauseln (nachfolgend „Kriegsausschluss“) Herr zu werden. Kriegsausschlüsse werden – spartenübergreifend – in einer Vielzahl unterschiedlicher Versicherungen vereinbart.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die am Markt verwendeten Kriegsausschlüsse (vornehmlich im Bereich der Sachversicherungen) sowie über die häufigsten in der Praxis anzutreffenden Streitpunkte. Darüber hinaus wirft er die Frage auf, inwieweit ausufernde Kriegsausschlüsse überhaupt dem Transparenzgebot genügen. 

1. Krieg als unkalkulierbares Kumulrisiko

Krieg ist ein klassisches Kumulrisiko. Das heißt, durch den Eintritt eines zufälligen Ereignisses (Kriegsausbruch) erleidet eine Vielzahl von Versicherungsnehmern nahezu gleichzeitig einen Schaden. Ein und dasselbe Ereignis führt also bei einem Versicherer zu einer Vielzahl an (regulierungsbedürftigen) Versicherungsfällen.

Beispiel: Durch den flächendeckenden Beschuss eines Stadtteils wird eine Vielzahl von Wohngebäuden beschädigt. Ein signifikanter Anteil der beschädigten Wohngebäude ist bei Versicherer A gegen Beschädigung versichert (bspw. im Rahmen einer Wohngebäude-Versicherung). Versicherer A erleidet aufgrund eines einzigen Ereignisses (Beschuss) eine Vielzahl von Versicherungsfällen.

Kriegsereignisse haben für Versicherer hierbei zwei entscheidende Risiken, welche die Gefahr „Krieg“ von anderen zu versichernden Gefahren unterscheiden: Krieg ist im Wesentlichen unkalkulierbar und unbeherrschbar.[3]

Weder die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Krieges noch das zu erwartende Schadensausmaß lassen sich mit der versicherungsmathematisch notwendigen Sicherheit abschätzen (Unkalkulierbarkeit des Kriegsrisikos).[4] Darüber hinaus zieht ein Versicherungsfall, z.B. Gebäudeschaden aufgrund eines Beschusses, eine Vielzahl weiterer Risiken nach sich, auf welche der Versicherer keinen oder kaum Einfluss nehmen kann, z.B. Gefährdung von Personen aufgrund von Einsturzgefahr des Gebäudes (Unbeherrschbarkeit des Kriegsrisikos).

Folge der Unkalkulierbarkeit und der Unbeherrschbarkeit des Schadenpotenzials ist, dass Kriegsrisiken bei der Prämienberechnung grundsätzlich nicht oder kaum zutreffend abgebildet werden können. Die Versicherer haben deshalb regelmäßig ein großes Interesse daran, Kriegsfolgen vom Versicherungsschutz auszunehmen und lediglich das sog. Normalrisiko (also das Risiko des Eintritts eines Versicherungsfalls in Friedenszeiten) zu versichern.

2. Kriegsausschlüsse in Industrieversicherungen

Zur Minimierung des unkalkulierbaren Kriegsrisikos enthalten die meisten Versicherungen aus dem Sach-Bereich (z.B. Feuerversicherung, Transport-Versicherungen) daher Kriegsausschlüsse.

In der Praxis existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Formulierungen:

In der Feuer-Versicherung gilt nach § 2 Nr. 1 AFB 2010[5]:

Die Versicherung erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand.

Nach Ziffer 4.1.1 LKB 2008 gilt in der Luftfahrt-Kaskoversicherung:

Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden die zusammenhängen mit Kriegs- oder Bürgerkriegsereignissen, anderen feindseligen Handlungen, Aufstand, Revolution, Rebellion, Streik, Aussperrung, Aufruhr, inneren Unruhen, Arbeitsunruhen, Terror-, oder Sabotageakten, Flugzeugentführung, Beschlagnahme und sonstigen Verfügungen von Hoher Hand.

Nach Ziffer 2.4.1.1 der DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2011 gilt:

Ausgeschlossen sind die Gefahren des Krieges, Bürgerkrieges oder kriegsähnlicher Ereignisse und solche, die sich unabhängig vom Kriegszustand aus der feindlichen Verwendung von Kriegswerkzeugen sowie aus dem Vorhandensein von Kriegswerkzeugen als Folge einer dieser Gefahren ergeben […].

Hervorzuheben ist jedoch, dass in der DTV-Güterversicherung sogar die Möglichkeit besteht, das Kriegsrisiko – zumindest teilweise – wieder in den Versicherungsschutz einzuschließen.[6]

3. Abgrenzungsfragen in der Praxis

Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung der Wortlaute sind bei der Frage der Anwendbarkeit der Klauseln – spartenübergreifend – in der Praxis regelmäßig zwei Kernfragen streitentscheidend:

  • Ist der streitgegenständliche Konflikt, auf welchem der Schaden beruht, überhaupt als „Krieg“ im Sinne der Klauseln einzustufen? Oder, falls nicht, unterfällt der Konflikt einem der sonstigen in den Klauseln ausgeschlossenen Zustände, z.B. kriegsähnliches Ereignis, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand (hierzu 3.2)?
  • Und: Welche Schäden werden durch die Klausel tatsächlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen? Lediglich unmittelbare Kriegsschäden oder auch mittelbare Schäden? Falls die Klauseln auch mittelbare Kriegsschäden ausschließen, wo zieht man die (Kausalitäts-)Grenze (3.2)?

Diese beiden Fragestellungen sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. Zur Beantwortung der Fragen ist jedoch zuerst ein kurzer Blick auf die Auslegung des Kriegsausschlusses zu wenden (3.1).

3.1 Auslegungsmaßstab 

Kriegsausschlüsse finden sich regelmäßig in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Zur Auslegung von AVB verweist der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auf das Verständnis des „durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse[7]. Bei Risikoausschluss-Klauseln wie dem Kriegsausschluss geht das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, diese eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert.[8] 

3.2 Welche Ereignisse umfasst der Begriff „Krieg“?

Zu fragen ist daher vorrangig, welche Ereignisse der Begriff des Krieges überhaupt umfasst.

Muss ein Krieg stets mit (tödlichen) Waffen geführt werden? – Diese Fragestellung ist bspw. in der Cyber-Versicherung vor dem Hintergrund sog. Cyberkriege relevant. Liegt ein Kriegsereignis nur dann vor, wenn sich zwei oder mehr Staaten gegenüberstehen oder sind auch innerstaatliche Konflikte unter den Begriff des Krieges zu fassen?

Der versicherungsrechtliche Kriegsbegriff

Überwiegend einig ist sich die Versicherungsbranche dahingehend, dass der versicherungsrechtliche Begriff des Krieges jedenfalls nicht einem (ggf. auch bereits überholten) völkerrechtlichen Kriegsbegriff entspricht. Der Krieg bzw. Kriegszustand muss nicht förmlich erklärt worden sein. Krieg im versicherungsrechtlichen Sinn ist vielmehr bereits ein tatsächlicher Gewaltzustand bzw. alle mit Waffengewalt geführten Auseinandersetzungen zwischen zwei oder mehreren Staaten, also insbesondere auch bewaffnete Grenzkonflikte.[9]

Beispiel: Auch der Ukrainekrieg ist somit im versicherungsrechtlichen Sinn ein Krieg, unabhängig davon, dass die russische Regierung lediglich von einer „Spezialoperation“ spricht und Resolutionen des UN-Sicherheitsrats blockiert.

Auch kommt es bei zwischenstaatlichen Konflikten – nach wohl herrschender Meinung – nicht auf eine völkerrechtliche Anerkennung der beteiligten Gruppen an.

Beispiel: Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Taliban oder auch dem Islamischen Staat und anderen benachbarten (souveränen) Staaten ist wohl unter den versicherungsrechtlichen Kriegsbegriff zu fassen, auch wenn die Taliban oder auch der Islamische Staat völkerrechtlich keine souveränen Staaten sind. Verüben jedoch einzelne Mitglieder dieser Gruppierungen Anschläge im Ausland (bspw. in den USA), wird der einzelne Anschlag wohl eher als Terrorakt zu qualifizieren sein und nicht als Krieg im versicherungsrechtlichen Sinn.

Die Abgrenzung von Kriegsereignissen und anderen, nicht kriegerischen Ereignissen (und somit die Ausdehnung des Ausschlusses), lässt sich in der Praxis bereits durch einen entsprechenden Bedingungswortlaut vereinfachen. Beschränkt sich bspw. der Kriegsausschluss in der Feuerversicherung[10] darauf, lediglich Schäden infolge von Krieg, kriegsähnlichen Ereignissen, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand vom Versicherungsschutz auszuschließen, umfasst der Ausschluss in der Luftfahrt-Kaskoversicherung deutlich mehr Gefahren wie bspw. andere feindseligen Handlungen, Aufruhr oder auch Terror-, oder Sabotageakte.

Cyberkriege als Teil des versicherungsrechtlichen Kriegsbegriffs?

Interessant ist auch die Frage, ob ein – ohne Waffengewalt geführter – Cyberkrieg unter die klassische Kriegsdefinition zu fassen ist. Betrachtet man allein den Wortlaut des Gefahrausschlusses (Krieg), wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer regelmäßig einen ohne Waffengewalt geführten Cyberkrieg nicht unter den Ausschluss fassen.[11] Für diese Auslegung (Cyberkrieg ist kein Krieg im Sinne des Ausschlusses) spricht nicht zuletzt auch die historische Einordnung des Kriegsbegriffs. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht mit dem Begriff des Krieges regelmäßig (nur) einen mit Waffengewalt geführten Konflikt. Auch unter den Begriff des „kriegsähnlichen Ereignisses“ ist ein reiner, ohne Waffengewalt geführter Cyberkrieg regelmäßig nicht zu fassen. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer fasst auch unter den Begriff des kriegsähnlichen Ereignisses regelmäßig nur solche kriegerischen Ereignisse, die jedenfalls mit Waffengewalt ausgetragen werden.

Beispiel: Staat A führt einen Cyberangriff auf Staat B aus, der Angriff führt zur Funktionsunfähigkeit kritischer Infrastruktur von Staat B. Weitere Auseinandersetzungen zwischen Staat A und Staat B mit Waffengewalt finden nicht statt. Die allein durch den Cyberangriff verursachten Schäden fallen nicht unter den Kriegsausschluss. Denn eine kriegerische Auseinandersetzung mit Waffengewalt, wie sie der Begriff des „Krieges“ fordert, findet nicht statt.

Umstritten ist die Frage, ob Schäden durch eine (auch physische) sog. hybride Kriegsführung dem Kriegsausschluss unterfallen. Hier ist stets der Einzelfall zu betrachten, insbesondere vor dem Hintergrund des Kausalitätserfordernisses, siehe hierzu sogleich unter 3.3.

3.3 Wie weit reicht der Kriegsausschluss?

Die zweite Kernfrage, die sich in der Praxis stellt, ist die Frage der Reichweite des Kriegsausschlusses.

Schaden muss kausal auf Kriegsereignis beruhen

Der einzelne Schaden muss zunächst kausal auf einem Kriegsereignis beruhen. Das heißt, der Ausschluss umfasst nur solche Schäden, die bei Hinwegdenken des Kriegsereignisses in ihrer konkreten Gestalt ebenfalls entfallen (sog. conditio sine qua non). Zwischen Kriegsereignis und Schaden muss ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang bestehen. Schäden, die rein zufällig während eines Kriegsereignisses entstehen, mit dem Ereignis aber in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen, umfasst der Ausschluss nicht.

Beispiel: Kriegspartei A beschießt ein Wohngebäude auf dem Gebiet von Kriegspartei B. Durch den Beschuss wird das Wohngebäude stark beschädigt. Die Beschädigung wäre ohne den Beschuss (und damit ohne das Kriegsereignis) nicht eingetreten. Die Beschädigung beruht kausal auf dem Kriegsereignis. Stürzt das Wohngebäude hingegen aufgrund eines Erdbebens ein, das sich zwar zeitlich gesehen im Kriegszustand ereignet, mit dem Krieg aber in keinem kausalen Zusammenhang steht, unterfallen die Schäden am Wohngebäude mangels Kausalität zum Kriegsereignis nicht dem Ausschluss.

Verstoß gegen das Transparenzgebot?

Nicht immer wird die Kausalität – oder die fehlende Kausalität – aber so einfach festzustellen sein, wie in genanntem Erdbeben-Beispiel. In Zeiten hybrider Kriege, in denen die Grenzen zwischen Terror und Krieg zunehmend verwischen und eine Vielzahl von Akteuren global agieren, lassen sich regelmäßig Kausalketten konstruieren. Wie kann der Versicherungsnehmer dann noch erkennen, ob ein Schaden mit einem Kriegsereignis im Zusammenhang steht? Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der versicherungsrechtlichen Literatur wohl überwiegend auch eine lediglich mittelbare Kausalität zwischen Krieg und Schaden für ausreichend erachtet wird.[12] Unter den Kriegsausschluss sollen schließlich auch Schäden außerhalb des Operationsgebietes und sogar außerhalb des Gebietes der beteiligten Staaten fallen.[13]

Entsprechend unbestimmt und weit sind regelmäßig die Bedingungswortlaute der Klauseln gefasst: 

Während der Kriegsausschluss in der Feuerversicherung[14] nur Schäden „durch“ Krieg vom Versicherungsschutz ausschließt, versagt der Ausschluss in der Luftfahrt-Kaskoversicherung[15] bereits alle Schäden, die (irgendwie?) „zusammenhängen“ mit Kriegsereignissen.

In den DTV-Güterversicherungsbedingungen[16] sind schließlich sogar pauschal sämtliche „Gefahren“ des Krieges ausgeschlossen, und zwar auch solche Gefahren, die sich „aus der feindlichen Verwendung von Kriegswerkzeugen sowie aus dem Vorhandensein von Kriegswerkzeugen als Folge einer dieser Gefahren ergeben“.

Der Bundesgerichtshof hat sich zum Gebot der Transparenz von Versicherungsbedingungen in der Vergangenheit klar geäußert: Eine Klausel muss nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich sein, sondern muss darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen erkennen lassen.[17] Bei einer den Versicherungsschutz einschränkenden Klausel wie dem Kriegsausschluss muss der Versicherungsnehmer den nach Anwendung der Klausel noch bestehenden Umfang der Versicherung erkennen können.[18] Andernfalls verstößt die Klausel gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Rechtsfolge ist grundsätzlich die Unwirksamkeit der (gesamten) Klausel bei Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen.[19]

Ob die marktüblichen Bedingungswortlaute (insbesondere die zitierten Klauseln der Luftfahrt-Kaskoversicherung oder der DTV-Güterversicherung) noch den Transparenzanforderungen des § 307 BGB genügen, ist fraglich. Erwartbar werden sich künftig Gerichte mit der Wirksamkeit einzelner Kriegsausschlüsse beschäftigen müssen.

Einschränkungen der Kausalität

Auch die überwiegende versicherungsrechtliche Literatur sieht jedenfalls aber die Notwendigkeit einer weiteren Einschränkung des Anwendungsbereichs der Kriegsklauseln, insbesondere anhand deren Sinn und Zwecks.

Zu dem Sinn und Zweck von Kriegsausschlüssen stellte bereits der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone (OGHBrZ) im Jahr 1949 fest[20]:

Der wirtschaftliche Zweck der Kriegsklausel in den AVB rechtfertigt es, sie nur dann anzuwenden, wenn aus dem Krieg eine besondere Gefahrenlage für das versicherte Gut adäquat entsteht, die in ihrem Eintritt oder Ablauf unberechenbar ist und der mit dem Einsatz normaler Mittel nicht begegnet werden kann, und wenn der einzelne Unfall wiederum adäquat auf eine solche Gefahrenlage zurückzuführen ist.

In dem konkreten Schaden muss sich also nicht irgendeine Gefahr verwirklicht haben, sondern eine durch den Krieg entstandene, erheblich erhöhte „besondere“ Gefahrenlage. Diese Gefahrenlage muss insbesondere in ihrem Eintritt oder Ablauf unberechenbar sein.

Nicht ausgeschlossen sind nach dem Schutzzweck der Norm daher solche Schäden, in denen sich eine – wenn auch erhöhte – Normalgefahr verwirklicht. Diese erhöhte Normalgefahr realisiert sich insbesondere bei Spätfolgen des Krieges. Stabilisiert sich das durch den Krieg begründete Risiko auf einem – wenn auch erhöhten – Niveau, wird das Risiko eines Schadeneintritts für den einzelnen Versicherer ab einem gewissen Zeitpunkt berechenbar. Ab diesem Moment ist der Versicherer in der Lage, das erhöhte Risiko in seine Prämienberechnung mit einzukalkulieren. Kann der Versicherer das Risiko in seine Prämienberechnung einkalkulieren, entfällt seine besondere Schutzbedürftigkeit und die entsprechende Gefahr unterfällt nicht mehr dem Kriegsausschluss.

Beispiel: Im Jahr 2022 wurden bundesweit noch zwischen 100.000 und 300.000 Tonnen Kampfmittelaltlasten (sog. Blindgänger) vermutet. Die allermeisten Kampfmittelaltlasten sind Überbleibsel der strategischen Flächenbombardierungen aus der Luft über Deutschland zwischen 1942 und 1945.[21] Aufgrund der ungeplanten Detonation einer Weltkriegsbombe wird im Jahr 2023 ein Wohngebäude beschädigt. Die Detonation einer Weltkriegsbombe im Jahr 2023 stellt keine besondere Gefahrenlage eines Kriegsgeschehens mehr dar. Vielmehr realisiert sich in der Detonation ein – mittlerweile, mehr als 70 Jahre nach Kriegsende – erhöhtes Normalrisiko, welches der Versicherer in seine Prämienberechnung einbeziehen kann. Die Schäden am Wohngebäude sind daher nicht vom Kriegsausschluss umfasst und – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des Versicherungsanspruchs – versichert.

Wo die Grenze zwischen besonderer kriegsbedingter Gefahrenlage und erhöhter Normalgefahr zu ziehen ist, muss stets für den Einzelfall betrachtet werden.

4. Fazit

Kriegsausschlüsse spielen in unterschiedlichsten Versicherungen eine – oftmals zentrale – Rolle.

Die Reichweite von Kriegsausschlüssen ist immer im Einzelfall anhand des konkreten Sachverhalts zu bestimmen und kann nicht pauschal beantwortet werden. Auch mittelbare Kriegsschäden können unter den Kriegsausschluss fallen. Ob jedoch weitgehende und unbestimmte Ausschlussklauseln überhaupt dem Transparenzgebot standhalten, wird sich in Zukunft zeigen müssen.

Wendet ein Versicherer den Kriegsausschluss ein, sollte der Versicherungsnehmer stets prüfen, ob die im Bedingungswerk vereinbarte Kriegsklausel den streitgegenständlichen Schaden tatsächlich umfasst. Oftmals lassen sich für den Versicherungsnehmer gute Argumente finden, warum der Ausschluss nicht greift.

Autor: Johannes Laiblin 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die VersicherungsPraxis 11-2023, S. 26 ff.

Literatur und Quellen:

[1] Heidelberg Institute for International Conflict Research (HIIK), Conflict Barometer 2022, Seite 17.

[2] Statista, Russland-Ukraine-Krieg: Geschätzter Sachschaden¹ in der Ukraine² nach Wirtschaftsbereichen vom 24. Februar 2022 bis 24. Februar 2023, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1377087/umfrage/sachschaeden-durch-den-ukraine-krieg-nach-sektoren/, abgerufen am 15. Oktober 2023, 17:05 Uhr.

[3] Vgl. zu den versicherungstechnischen Risiken des Kriegs: Makowsky, VersR 2023, 1, 4.

[4] Makowsky, VersR 2023, 1, 4.

[5] Ähnlich auch Ziffer A2.1 VGB 2022 (Wohngebäude-Versicherung): „Nicht versichert sind Schäden durch Krieg, kriegsähnliche Ereignisse, Bürgerkrieg, Revolution, Rebellion oder Aufstand. Das gilt ohne Berücksichtigung mitwirkender Ursachen.“.

[6] Vgl. hierzu den Einschluss „Kriegsklausel“ der DTV-Güter 2000/2011 (Musterbedingungen des GDV), dort Ziffer 1.1.1: „Mitversichert sind in Abänderung von Ziffer 2.4.1.1 der DTV-Güter 2000/2011 Verlust oder Beschädigung der versicherten Güter als Folge von Krieg, Bürgerkrieg oder kriegsähnlichen Ereignissen […].“.

[7] Vgl. BGH, VersR 2021, 1563, 1564.

[8] BGH, VersR 2013, 1395, 1396.

[9] Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage 2021, AFB 2010 § 2 Rn. 3; Wilfried Rüffer in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Auflage 2020, AFB 2010 § 2 Rn. 2.

[10] Vgl. hierzu § 2 Nr. 1 AFB 2010. Zu beachten ist freilich, dass die Gefahr „Innere Unruhe“ zwar nicht im Kriegsausschluss ausgeschlossen ist, jedoch durch einen eigenen Ausschluss für innere Unruhen gem. § 2 Nr. 2 AFB 2010. Darüber hinaus entwickelte der GDV mit der AFB 2010 Terror auch eine eigene Ausschlussklausel für die Terror-Gefahr in der Feuerversicherung.

[11] So auch Fortmann, r+s 2023, 2, 4 f.; König in MAH Versicherungsrecht, 5. Auflage 2022, § 36 Cyberversicherung Rn. 120.

[12] Vgl. z.B. Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage 2021, AFB 2010 § 2 Rn. 2.

[13] Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage 2021, AFB 2010 § 2 Rn. 5.

[14] Vgl. vorstehend § 2 Nr. 1 AFB 2010.

[15] Vgl. vorstehend Ziffer 4.1.1 LKB 2008.

[16] Vgl. vorstehend Ziffer 2.4.1.1 DTV-Güterversicherungsbedingungen 2000/2011.

[17] BGH, r + s 2013, 601, 602.

[18] Wandt in Martin/Reusch/Schimikowski/Wandt, Sachversicherung, 4. Auflage 2022, § 1 Rn. 148.

[19] H. Schmidt in BeckOK BGB, 67. Edition, Stand: 1. August 2023, § 307 Rn. 51.

[20] OGHBrZ, Köln, NJW 1949, 905.

[21] Vgl. hierzu und zu der Schätzung von Kampfmittelaltlasten: „Kampfmittelaltlasten in Deutschland – ein Überblick“ des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom 1. Juli 2022, dort Seite 6, abgerufen unter https://www.bundestag.de/resource/blob/909216/a5448dd84ac14a5b36fb93f400a4dff1/WD-2-032-22-pdf-data.pdf am 17. Oktober 2023, 15:27 Uhr.

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