Risiko Serienschadenklausel

Serienschadenklauseln sind regelmäßiger Bestandteil von Industrieversicherungsverträgen. Sie dienen unter anderem der Begrenzung des übernommenen Risikos des Versicherers. Indem sie miteinander zusammenhängende Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall verklammern, beschränken sie die Leistungspflicht des Versicherers je Schadenserie auf die Versicherungssumme pro versicherter Periode.

Mit einer aktuellen Entscheidung begrenzt das OLG Düsseldorf[1] die Leistungspflicht des Versicherers für Serienschäden nun zusätzlich auch zeitlich – eine rechtlich fragwürdige und für versicherte Unternehmen und Personen gefährliche Auslegung der Serienschadenklausel mit weitreichenden Auswirkungen für insbesondere die D&O- und die E&O-Versicherung.

Im Folgenden erläutern wir die Funktionsweise von Serienschadenklauseln, setzten uns kritisch mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf auseinander und beleuchten die Folgen der Entscheidung für die Praxis.

1. Funktionsweise von Serienschadenklauseln

Die Serienschadenklausel existiert nicht. Serienschadenklauseln werden auf dem Markt in zahlreichen Varianten in verschiedenen Versicherungssparten vereinbart.

1.1 Fiktion eines einheitlichen Versicherungsfalls

Typischerweise fassen Serienschadenklauseln mehrere Versicherungsfälle einer Schadenserie zu einem Versicherungsfall zusammen (Fiktion eines einheitlichen Versicherungsfalls).

Eine Schadenserie entsteht beispielsweise dadurch, dass mehrere Einzelschäden auf der gleichen Ursache beruhen, etwa weil ein Hersteller fehlerhafte Produkte mit dem gleichen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler ausliefert. In der D&O / E&O-Versicherung liegt ein Serienschaden häufig dann vor, wenn Pflichtverletzungen durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurden, sofern diese Pflichtverletzungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und miteinander in rechtlichem, wirtschaftlich angemessenem oder zeitlichem Zusammenhang stehen.

Durch die Zusammenfassung mehrerer Versicherungsfälle zu einem einheitlichen Versicherungsfall muss der Versicherer die Versicherungssumme für eine Schadenserie nur einmal zur Verfügung stellen, der Versicherungsnehmer den vereinbarten Selbstbehalt nur einmal zahlen.

1.2 Fiktion des Eintrittszeitpunkts

Regelmäßig fingieren Serienschadenklauseln den Eintritt des einheitlichen Versicherungsfalls einer Schadenserie auf den Zeitpunkt des Eintritts des ersten Versicherungsfalls der Schadenserie(Fiktion des Eintrittszeitpunkts). In der D&O-Versicherung ist beispielsweise auf den Zeitpunkt der ersten schriftlichen Inanspruchnahme einer versicherten Person auf Schadenersatz innerhalb versicherter Zeit abzustellen.

Beispiel 1: Ein Unternehmen hat für seine Entscheidungsträger eine D&O-Versicherung mit einer maximalen Versicherungssumme pro versicherter Periode in Höhe von EUR 10 Mio. abgeschlossen. Vorstandsmitglied X und das Aufsichtsratsmitglied Y begehen gemeinsam versicherte Pflichtverletzungen bei der Erteilung eines Großauftrags. Dem Unternehmen entsteht ein Schaden in Höhe von EUR 25 Mio. Das Unternehmen nimmt innerhalb der Versicherungsperiode vom 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2018 zunächst X auf Schadensersatz in Anspruch. In der folgenden Versicherungsperiode vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019 erfolgt auch die Inanspruchnahme von Y.

Ohne Serienschadenklausel müsste der Versicherer ggf. jeweils für X und für Y die volle Versicherungssumme leisten, also insgesamt EUR 20 Mio., da die Inanspruchnahmen in verschiedene Perioden fallen. Mit der üblicherweise vereinbarten Serienschadenklausel gelten beide Inanspruchnahmen als ein (verklammerter) Versicherungsfall, der in die Versicherungsperiode der ersten Inanspruchnahme fällt, da sie demselben Sachverhalt (dem Großauftrag) zuzuordnen sind. Der Versicherer leistet also im Beispielfall maximal EUR 10. Mio. Sein Risiko ist begrenzt.

Aufgrund der Funktionsweise der Serienschadenklausel sollten auch weitere Inanspruchnahmen im gleichen Zusammenhang unabhängig von ihrem Zeitpunkt ebenfalls der ersten Versicherungsperiode zugeordnet werden können.

Beispiel 2: Wie Beispiel 1, nur dass ein zweites Vorstandsmitglied Z am Rande ebenfalls in die Erteilung des Großauftrags involviert war und ebenfalls pflichtwidrig handelte. Nachdem die Beteiligung von Z erst spät in der Aufarbeitung des Schadens für das Unternehmen erkennbar wird und der D&O-Versicherer den Vertrag bereits gekündigt hat, nimmt das Unternehmen nun nach Ende der Nachhaftungszeit des Versicherungsvertrags auch Z auf Schadensersatz in Anspruch.

Auch dieser Versicherungsfall müsste dem üblichen Wortlaut der Serienschadenklausel zufolge der Versicherungsperiode der ersten Inanspruchnahme zugeordnet werden. Sofern Z haftet und kein Ausschluss greift, würde der Versicherer zur Leistung verpflichtet sein. Das wäre insbesondere dann relevant, wenn der Versicherer zuvor die Deckung für X und Y zum Beispiel aufgrund einer wissentlichen Pflichtverletzung verweigert hat.

Gegen diese Auslegung der Serienschadenklausel wendet sich nun das OLG Düsseldorf mit einer zweifelhaften Entscheidung.

2. Entscheidung des OLG Düsseldorf

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2017 lag eine Klage gegen einen Versicherer aus einer kombinierten D&O- und E&O-Versicherung zugrunde. Mehrere Kläger machten Ansprüche aus abgetretenem Recht im Zusammenhang mit angeblichen Prospektfehlern gegen den Versicherer geltend.

Das Gericht lehnte den Eintritt des bedingungsgemäßen Versicherungsfalls ab (erstmalige schriftliche Inanspruchnahme einer versicherten Person wegen Pflichtverletzungen für eingetretene Vermögensschäden), da die Kläger das versicherte Unternehmen nicht rechtzeitig in Anspruch genommen haben sollen. 

Eine rechtzeitige Inanspruchnahme folge darüber hinaus – so das Gericht – auch nicht aus der Serienschadenklausel, die das Gericht in seinem Beschluss (ohne ersichtlichen Grund) nicht wörtlich zitierte. Die streitgegenständliche Serienklausel lautet:

Haftpflichtansprüche gelten als ein Versicherungsfall und werden der Versicherungsperiode zugeordnet, zu der der erste Haftpflichtanspruch gemeldet wurde, wenn eine Pflichtverletzung durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurde, oder wenn mehrere Pflichtverletzungen durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurde, sofern die Pflichtverletzungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und miteinander in rechtlichem, wirtschaftlich angemessenem oder zeitlichem Zusammenhang stehe und somit eine einheitliche Pflichtverletzung vorliegt.“ (Hervorhebung durch die Autoren)

Das Gericht sah bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Serienschadens als nicht erfüllt an („keine einheitliche Pflichtverletzung mangels hinreichenden rechtlichen, wirtschaftlich angemessenen oder zeitlichen Zusammenhangs“). Bemerkenswerter sind die weiteren Aussagen des Gerichts, in denen das Gericht die Rückwirkungsfiktion der Serienschadenklausel negiert:

Es handelt sich bei der Serienschadenklausel um eine Risikobegrenzungsklausel […] und zwar zugunsten des Versicherers. Dies wird aus der systematischen Stellung der Klausel deutlich, da sie mehrere Haftpflichtansprüche zu einem Versicherungsfall zusammenzieht mit der Folge, dass die maximale Deckungssumme eher erreicht und insgesamt die Haftung des Versicherers begrenzt wird. Mit diesem – auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne weiteres so verständlichen – Regelungsgehalt ist eine Auslegung, die zu einer Ausweitung der Haftung des Versicherers führen würde, nicht vereinbar, zumal weder der Wortlaut, noch die Systematik oder Sinn und Zweck einen Zusammenhang zu der Frage herstellen, ob ein Versicherungsfall noch als in versicherter Zeit eingetreten zu gelten hat. Dies ist eine von der hier allein geregelten Deckungssumme völlig verschiedene Frage. Dass die Vertragsparteien mit dieser Klausel die Regelungen hinsichtlich der Frage, wann ein Versicherungsfall vorliegt, modifizieren wollten, ist gerade nicht ersichtlich und kann der Klausel aufgrund ihres systematischen Zusammenhangs auch nicht entnommen werden. Vielmehr bestimmt die Klausel lediglich, wann mehrere Haftpflichtansprüche als ein Versicherungsfall zu gelten haben – und nicht, wann überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt. Dies gilt auch deshalb, weil die Parteien ansonsten das claims-made-Prinzip weitgehend aufgehoben hätten, ohne dass dies erkennbar wäre.“ (Hervorhebungen durch die Autoren)

Zusammengefasst machte das Gericht deutlich, dass eine Serienschadenklausel nach seiner Einschätzung eine „reine“ Risikobegrenzungsklausel zugunsten des Versicherers sei, der keine Aussage dahin gehend entnommen werden könne, ob ein Versicherungsfall noch als in versicherter Zeit eingetreten gilt.

3. Stellungnahme zur Entscheidung des OLG Düsseldorf

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf erging zwar zu einem Einzelfall und zu der dort streitgegenständlichen Serienschadenklausel. Man benötigt aber wenig Fantasie um zu erahnen, dass Gerichte und Versicherer die Auslegung des Gerichts auf vergleichbare Fälle und Klauseln übertragen werden. Das hätte erhebliche Folgen:

Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf besteht in einer Serie von Versicherungsfällen kein Versicherungsschutz, wenn die Nachhaftungszeit des Versicherungsvertrages abläuft – und zwar selbst dann nicht, wenn der erste Versicherungsfall einer Schadenserie in versicherter Zeit eintrat. Damit sehen sich Versicherte erheblichen Deckungslücken ausgesetzt. Die nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht versicherten Fälle wären nämlich auch unter einer Folgepolice nicht versichert (da bekannte Vorschäden) bzw. versicherbar. 

3.1 Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist abzulehnen

Die Auslegung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist rechtlich unzutreffend und abzulehnen. Sie verkürzt die Funktion der Serienschadenklausel, die ambivalent sein kann. Es ist richtig, dass die Serienschadenklausel grundsätzlich die Deckung des Versicherers begrenzt (die Versicherungssumme steht nur in einer Periode zur Verfügung). Die Funktion der Serienschadenklausel erschöpft sich jedoch nicht in der Begrenzung der Deckung des Versicherers. Serienschadenklauseln können auch deckungserweiternd wirken, indem Versicherungsfälle einer Schadenserie durch Verklammerung als in versicherter Zeit eingetreten gelten (Fiktion des Eintrittszeitpunkts). Dies folgt aus der Auslegung der Serienschadenklausel.

Auslegung des OLG Düsseldorf widerspricht Wortlaut der Klausel:

Zunächst spricht der Wortlaut der zitierten Serienschadenklausel eindeutig für eine zeitliche Eintrittsfiktion innerhalb versicherter Zeit.

Der Wortlaut der Versicherungsbedingung ist Ausgangspunkt jeder Auslegung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.[2]

Anders als das Oberlandesgericht Düsseldorf behauptet, wird aus dem Wortlaut der Serienschadenklausel dem Versicherungsnehmer gerade nicht deutlich, dass es sich um eine reine Risikobegrenzungsklausel zugunsten des Versicherers handelt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer weiß zwar, dass der Versicherer kein unbegrenztes Leistungsversprechen (auch für Serienschäden) abgibt. Der Versicherungsnehmer verlässt sich aber darauf, dass der Wortlaut stets dann Anwendung findet, solange ihm nicht eine Begrenzung klar vor Augen geführt wird. Denn wenn die Serienschadenklausel eine reine Risikobegrenzung sein soll, dann ist sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eng auszulegen.[3] Das bedeutet konkret, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht damit rechnen muss, Lücken im Versicherungsschutz zu haben, wenn er darauf nicht mit hinreichender Deutlichkeit hingewiesen wird.[4]

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch können die Worte „Haftpflichtansprüche gelten als ein Versicherungsfall und werden der Versicherungsperiode zugeordnet, zu der der erste Haftpflichtanspruch gemeldet wurde“ (vgl. Klausel oben unter 3) aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eindeutig nur als Fiktion des Eintrittszeitpunkts verstanden werden. Etwas, das zu einem anderen (späteren) Zeitpunkt geschah, soll als zu einem anderen (früheren) Zeitpunkt stattgefunden gelten. Die Serienschadenklausel beinhaltet nach ihrem Wortlaut daher eindeutig eine Rückwirkungsfiktion. Dabei handelt es sich um eine juristische Fiktion, die unwiderleglich ist.

Aus dem Wortlaut folgt weiter, dass die Serienschadenklausel verschiedene Haftpflichtfälle zu einem Serienschaden unabhängig davon verklammert, ob der Zeitpunkt des „Haftpflichtanspruchs“ (gemeint ist wohl die Anspruchserhebung) in die versicherte Zeit fällt oder nicht. Dem Wortlaut der Klausel kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer – anders als das Oberlandesgericht meint – keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass der Anwendungsbereich der Serienschadenklausel von vornherein auf schriftliche Inanspruchnahmen während des Versicherungszeitraums beschränkt wäre. Für eine solche Einschränkung bestehen nach dem Wortlaut keine Anhaltspunkte.

Will der Versicherer den Anwendungsbereich der Serienschadenklausel auf schriftliche Inanspruchnahmen versicherter Personen während der versicherten Zeit bzw. während der Laufzeit der Nachmeldefrist absolut begrenzen, muss dieser Wille des Versicherers im Vertrag objektiv zum Ausdruck kommen. Ein solcher Wille folgt beispielsweise aus Ziffer 4.5 der Musterbedingungen zur D&O-Versicherung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Der Wortlaut der Klausel lautet:

„Unabhängig von den einzelnen Versicherungsperioden gelten mehrere während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrages geltend gemachte Ansprüche eines oder mehrerer Anspruchsteller […] als ein Versicherungsfall.“ (Hervorhebung durch die Autoren)

Solch eine Einschränkung folgt aber weder aus der Serienschadenklausel, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zugrunde lag, noch aus vielen anderen Bedingungswerken.

Das Gericht strapaziert die Kenntnisse eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers über, indem es verlangt, dass der Versicherungsnehmer – entgegen des eindeutigen Wortlauts (!) der Serienschadenklausel – diese zu einer reinen Risikobegrenzungsvorschrift umdeutet.

Sinn und Zweck der Serienschadenklausel spricht für Rückwirkungsfiktion:

Neben dem eindeutigen Wortlaut spricht auch der für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Sinn und Zweck der Serienschadenklausel für eine Rückwirkungsfiktion.

a) Funktion der Serienschadenklausel

Die streitgegenständliche Serienschadenklausel bewirkt, dass verschiedene Haftpflichtansprüche als ein einheitlicher Versicherungsfall gelten. Die Serienschadenklausel soll damit wohl mehrere verschiedene Inanspruchnahmen (=Versicherungsfälle) zu einem Versicherungsfall verklammern. Zweck der Serienschadenklausel ist es also, mehrere Versicherungsfälle einer Serie zu Gunsten des Versicherers so zu verknüpfen, dass der Versicherer die Deckungssumme nur einmal pro Schadenserie und laufender Versicherungsperiode zur Verfügung stellen muss. Die Serienschadenklausel bewirkt diese Rechtsfolge, indem sie für die Versicherungsfälle einer Schadenserie einen einheitlichen Zeitpunkt für den Eintritt des Versicherungsfalls (zeitlich zurück) fingiert.

Für den Versicherten können aus der vorgenannten Fiktion eines einheitlichen Versicherungsfalls durch die Serienschadenklausel im Wesentlichen drei Vorteile folgen: 

Ein vom Versicherten ggf. zu tragender Selbstbehalt muss der Versicherte nicht hinsichtlich jedes Versicherungsfalls erbringen, sondern infolge der fiktiven Verklammerung mehrere Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall nur einmal. 

Dem Versicherten kann zudem ein sogenannter Periodenvorteil zu Gute kommen. In mehreren aufeinanderfolgenden Versicherungsperioden können unterschiedliche Versicherungssummen oder unterschiedliche Versicherungsbedingungen vereinbart sein (beispielsweise Deckungserweiterungen bzw. Ausschlüsse). Eine Serienschadenklausel kann bewirken, dass mehrere Versicherungsfälle oder Schäden in einer früheren, günstigen Versicherungsperiode zusammengezogen werden. Möglich erscheint aber auch der gegenteilige Effekt, wenn die spätere Versicherungsperiode günstigere Bedingungen oder einer höhere Deckungssumme bietet.

Zuletzt könnte für Versicherungsfälle, die nach Ende des Versicherungszeitraums bzw. nach Ablauf der Nachmeldefrist eintreten, und hinsichtlich derer eine Eintrittspflicht des Versicherers eigentlich nicht bestünde, infolge der Fiktion des zeitlich früheren Eintritts des Versicherungsfalls Versicherungsschutz bestehen.

Der Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung der Serienschadenklausel sowohl die Nachteile (Begrenzung der Entschädigungspflicht des Versicherers auf die vereinbarte Jahreshöchstentschädigung) als auch die Vorteile (Selbstbehalt, potenzieller Periodenvorteil, Fiktion des Eintrittszeitpunkts) sehen. Warum er nur die Nachteile in Kauf nehmen muss, aber von den Vorteilen nicht profitieren soll, erschließt sich dem Versicherungsnehmer nicht. Dies würde auch zu einer treuwidrigen „Rosinenpickerei“ des Versicherers führen. Wenn der Versicherer für sich die aus der Fiktion eines einheitlichen Versicherungsfalls resultierenden Vorteile beansprucht, muss der Versicherer auch die mit der zeitlichen Fiktion des Eintritts der Versicherungsfälle einer Schadenserie verbundenen Nachteile hinnehmen. Die vorgenannten Vorteile der Serienschadenklausel für die Versicherten sind für die Versicherten zugleich eine Kompensation für die mit der Serienschadenklausel verbundenen Nachteile.

b) Keine „unbegrenzte“ Haftung des Versicherers

Der Versicherer wird durch die hier vertretene Auslegung nicht unangemessen wirtschaftlich benachteiligt. Das regelmäßig vorgebrachte Argument, dass eine „unbegrenzte“ Haftung des Versicherers für Serienschäden drohe, ist eine Nebelkerze. Denn die Haftung des Versicherers ist auf die vereinbarte Jahreshöchstentschädigung unter Anrechnung des vereinbarten Selbstbehalts begrenzt. Für diese erhielt der Versicherer vom Versicherungsnehmer eine adäquate Prämie. Die Gefahr einer unbegrenzten Haftung des Versicherers existiert folglich nicht.

c) Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistungsversprechen und Prämie

Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer wirtschaftlich benachteiligt wird. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf vertretene Verkürzung des Versicherungsschutzes stört auf Seiten des Versicherungsnehmers das Äquivalenzverhältnis zwischen Prämie und Leistung. Denn der Versicherungsnehmer hat gegen Zahlung einer (erhöhten) Prämie Versicherungsschutz für Serienschäden bis zur Ausschöpfung der Versicherungssumme eingekauft. Dieses Leistungsversprechen muss der Versicherer einlösen. Die zeitlich ggf. willkürliche Inanspruchnahme durch Dritte führt bei Serienschäden zu Lücken in der Deckung. 

3.2 Konsequenzen des Beschlusses

Stattdessen führt die Auffassung des Oberlandesgerichts dazu, dass Deckungslücken „Tür und Tor“ geöffnet wird, die der Versicherungsnehmer weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Serienschadenklausel entnehmen kann (hierzu bereits unter 4.1).

Der Versicherer könnte sich beispielsweise nach Eintritt des ersten Versicherungsfalls einer Schadenserie durch Schadenfallkündigung des Versicherungsvertrages aus der Deckung für einen laufenden Serienschaden herauskündigen. Spätestens mit dem Ende der Nachhaftungsfrist würde dann der Versicherungsschutz enden. Für den Versicherten entstünde eine erhebliche Deckungslücke, da der Serienschaden nicht (vollständig) versichert wäre und der Versicherte für einen bereits begonnen Serienschaden auf dem Markt keinen Versicherungsschutz zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen bekommen würde.

Die Folgen für den Versicherungsnehmer sollen abschließend an einem Extrembeispiel verdeutlicht werden:

Beispiel 3: Ein Tag vor Ende der Vertragslaufzeit in einer D&O-Versicherung wird eine versicherte Person bedingungsgemäß in Anspruch genommen (=Eintritt des Versicherungsfalls). Nach Ende der Nachhaftungsfrist werden weitere versicherte Personen in Anspruch genommen bzw. wird diesen (Versicherungsfall auslösend) der Streit verkündet. Es stellt sich heraus, dass die Inanspruchnahmen (vor und nach Ende der Nachhaftungsfrist) einen Serienschaden im Sinne der Bedingungen darstellen. 

Versicherungsschutz bestünde nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf wohl nur für die erste Inanspruchnahme, da die Inanspruchnahme während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintrat. Für die nach Ablauf der Nachmeldefrist erfolgten Inanspruchnahmen der Schadenserie bestünde kein Versicherungsschutz. Der Umfang des Versicherungsschutzes für Serienschäden hinge allein davon ab, wann und wie viele Inanspruchnahmen vor Ende der Nachmeldefrist erfolgen. Darauf hat der Versicherte aber keinen Einfluss.

3. Fazit

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat erhebliche Auswirkungen für Unternehmen, insbesondere auf die D&O / E&O-Versicherung. Hier sollte von Unternehmensseite sichergestellt werden, dass die Vereinbarung einer Serienschadenklausel nicht dazu führt, dass Versicherungsfälle in einer Schadenserie nicht versichert sind, weil die Rückwirkungsfiktion nicht eingreift. 

Klarstellend könnte der Versicherungsnehmer vertraglich festhalten, dass sämtliche Versicherungsfälle (=Inanspruchnahmen) einer Serie, unabhängig vom jeweiligen Zeitpunkt der Inanspruchnahme, als im Zeitpunkt der ersten Inanspruchnahme eingetreten und damit als versichert gelten.

Autoren: Dr. Fabian Herdter, Cäsar Czeremuga

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die VersicherungsPraxis Ausgabe 03-2019

Literaturhinweise:

[1] Beschluss vom 12. Juli 2017, Az.: I-4 U 61/17, VersR 2018, 217.

[2] Statt vieler: BGH VersR 2001, 576; BGH VersR 2003, 1163; BGHZ 162, 210; BGH VersR 2006, 1066.

[3] Vgl. BGH VersR 2003, 1389.

[4] St. Rspr.: vgl. nur BGH VersR 2003, 187; VersR 2003, 454 m. w. N.

Beitrag teilen:

Mehr Aktuelles: