Baumängel und die Folgen: (Un-)versicherbare Deckungslücken der Bauleistungsversicherung?
Baumängel und die Folgen: (Un-)versicherbare Deckungslücken der Bauleistungsversicherung?
Die Bauleistungsversicherung wird bei Bauprojekten jeder Art abgeschlossen. Sie hat aus diesem Grund in der Praxis eine enorme Bedeutung. Vielen Versicherungsnehmern ist jedoch der genaue Deckungsumfang der Versicherung nicht bekannt – und die möglicherweise drohenden Deckungslücken ebenfalls nicht.
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Im Schadenfall kommt es deshalb oft zum Streit zwischen Bauherrn, Generalunternehmern und Versicherern. Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht regelmäßig die Frage, welche Schäden das Bauunternehmen im Rahmen der Gewährleistung zu tragen hat und welche (Folge-)Schäden von der Bauleistungsversicherung gedeckt sind. Die Klärung dieser Fragen kann das Projekt über Monate oder gar Jahre verzögern und die finanzielle Existenz der beteiligten Unternehmen gefährden.
Der folgende Beitrag zeigt die wohl relevanteste Deckungslücke der Bauleistungsversicherung auf (2.) und stellt Lösungsansätze vor, wie sich Risiken für die am Bauprojekt beteiligten Unternehmen (teilweise) minimieren lassen (3.).
1. Was deckt die Bauleistungsversichung?
Die Bauleistungsversicherung gehört zu den technischen Versicherungen. Sie ist regelmäßig eine als Schadenversicherung ausgestaltete Sachversicherung. Sinn der Bauleistungsversicherung ist in den heute marktüblichen Deckungskonzepten einerseits der Schutz des Bauunternehmers und andererseits der Schutz des Bauherrn.
Grundsätzlich trägt bei Bauleistungen der Bauunternehmer das Risiko des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der noch nicht abgenommenen Bauleistung. Konkret heißt das, dass der Bauunternehmer, wenn das Werk zufällig (also z.B. durch höhere Gewalt oder Krieg) untergeht, zur Werkherstellung verpflichtet bleibt. Er muss also entweder das Werk neu beginnen oder das begonnene Werk instandsetzen.
Beispiel 1: Durch einen Orkan wird der Dachstuhl einer sich im Rohbau befindlichen Lagerhalle stark beschädigt. Der Dachstuhl war von dem Bauherrn noch nicht abgenommen. Durch die Beschädigung muss der Bauunternehmer (in diesem Fall ein Zimmereibetrieb) umfangreiche Teile des Dachstuhls austauschen. Der Bauunternehmer muss den Austausch grundsätzlich auf eigene Kosten vornehmen.
Soweit die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) vereinbart sind, hat der Bauunternehmer zwar das Recht die durch ihn bereits ausgeführten Leistungen nach den Vertragspreisen abzurechnen. Dem Bauunternehmer sind darüber hinaus auch die Kosten zu vergüten, die ihm bereits entstanden und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind. Das Kostenrisiko des Bauunternehmers bleibt jedoch signifikant. Denn die in der Praxis relevanten Schadenfälle betreffen selten tatsächlich (objektiv) unabwendbare Umstände. Oftmals treten Beschädigungen oder Zerstörungen schlicht aufgrund unterlassener Schutzmaßnahmen ein. Das sich hieraus ergebende Risiko lässt sich für den einzelnen Unternehmer nicht allein mit einem Wagniszuschlag auffangen.[1]
Gegen diesen zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung des Werks vor Abnahme schützt die Bauleistungsversicherung. Denn die Bauleistungsversicherung erlaubt es dem Bauunternehmer, das für ihn bestehende Restrisiko des zufälligen Untergangs seines Werkes vor Abnahme kostensparend zu minimieren.
Durch die Absicherung des Bauunternehmers ist gleichzeitig auch der Bauherr geschützt. Der Bauherr hat zwar, wie bereits dargestellt, grundsätzlich einen Anspruch gegen den Bauunternehmer auf Wiederherstellung bzw. Instandsetzung des Werkes. Der Bauherr trägt so aber auch das Insolvenzrisiko des Bauunternehmers.
Beispiel 2: Der Zimmereibetrieb aus Beispiel 1 ist insolvent. Er kann die notwendigen Reparaturarbeiten an dem Dachstuhl der Lagerhalle nicht durchführen. Der Bauherr hat zwar einen Anspruch auf (kostenfreie) Reparatur des Dachstuhls. Diesen Anspruch kann er jedoch rein faktisch aufgrund der Insolvenz des Zimmereibetriebs nicht durchsetzen. Der Bauherr bleibt auf den Kosten sitzen.
Durch die Bauleistungsversicherung minimiert sich also nicht nur das Kostenrisiko des Bauunternehmers, sondern gleichzeitig auch das Risiko des Bauherrn.
Der zeitliche Schutz der Bauleistungsversicherung beginnt grundsätzlich zu dem im Versicherungsvertrag bezeichneten Zeitpunkt. War zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung das Bauvorhaben bereits begonnen, können die Vertragsparteien auch bereits erbrachte Leistungen in den Versicherungsschutz mit aufnehmen. Der Versicherungsschutz endet regelmäßig mit der Abnahme des Werkes bzw. mit dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Fertigstellung. Beschädigungen an der versicherten Sache als Folge eines in die Versicherungszeit fallenden Ereignisses sind dann also nicht gedeckt, wenn der Schaden erst nach dem versicherten Zeitraum, also nach Abnahme, eintritt.[2] Bei Bauverzögerungen kann der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer jedoch Verlängerungen des Versicherungsschutzes gegen Zahlung von Zusatzprämien vereinbaren. Im besten Fall stellt der Bauherr nahtlosen Anschlussversicherungsschutz durch eine Rohbauversicherung, oder eine Bestandsgebäudeversicherung sicher.
2. Problem: Baumangel oder Mangel-Folgeschaden?
Voraussetzung für die Entschädigung in der Bauleistungsversicherung ist immer das Vorliegen eines „Sachschadens“. Ein solcher Sachschaden wird in den praxisrelevanten Bedingungswerken regelmäßig definiert als „unvorhergesehen eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen von versicherten Sachen”.[3] Der Sachschadenbegriff setzt nicht zwingend eine Substanzverletzung voraus. So entschied der BGH in der Vergangenheit bspw., dass auch die Senkung eines Gebäudes infolge mangelhafter Gründung als Sachschaden anzusehen ist.[4]
Die Beschädigung oder Zerstörung der versicherten Sache muss allerdings auf einem von außen kommenden Ereignis beruhen. Sie kann auch von einer anderen Teilleistung desselben Bauvorhabens herrühren. Die Ursache darf aber nicht in der beschädigten Teilleistung selbst liegen (sog. Teilleistungs-Theorie des BGH).
Beispiel 3: Keine Teilleistungen liegen in der Aufgliederung der Bauleistung „Stahlbetondecke“ in die Einzelleistungen „Bewehrung“ sowie „Einfüllen und Rütteln des Betons“ – insbesondere, wenn alle vorgenannten Leistungen ein und dasselbe Bauunternehmen erbringt. Eigenständige Teilleistung hingegen sind bspw. Maurerarbeiten im Verhältnis zu Erdarbeiten.
2.1 Nicht versicherte Risiken
Was hingegen ausdrücklich nicht Gegenstand der Bauleistungsversicherung ist, sind Baumängel, also das Fehlschlagen des Herstellungsprozesses. Das Risiko der fehlerhaften Herstellung des Werkes soll auch nach der Konzeption der Bauleistungsversicherung bei dem Unternehmer verbleiben.
Beispiel 4: In der Lagerhalle aus Beispiel 1 soll ein Bauunternehmer die Bodenplatte gießen. Der Fundamentbauer verwendet falschen Beton. Das Fundament ist nicht dicht und bei Regen gelangt Wasser in die Bodenplatte. Die Bauleistung ist mangelhaft. Die Kosten für die Ersetzung der mangelhaften Bodenplatte durch eine neue Bodenplatte sind nicht durch die Bauleistungsversicherung gedeckt. Der Fundamentbauer bleibt auf den Kosten sitzen.
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung von (nicht versicherten) reinen Baumängeln und (versicherten) Sachschäden ist, ob sich die Beeinträchtigung in dem Leistungsmangel erschöpft und einen integralen Bestandteil dieser Leistung darstellt oder ob die Beeinträchtigung darüber hinausgeht. Abzustellen ist hierbei immer auf die einzelne Teilleistung (das einzelne Gewerk, z.B. Errichtung eines Fundaments) und nicht auf die Gesamtbauleistung (z.B. Errichtung einer Lagerhalle).
Die Abgrenzung zwischen reinen Baumängeln und unvorhergesehenen Sachschäden an den versicherten Sachen ist in der Praxis oftmals schwer vorzunehmen. Dies zeigen Beispiel 5 und Beispiel 6:
Beispiel 5: In der Lagerhalle aus Beispiel 1 soll ein Bauunternehmer eine Stahlbetondecke errichten. Bei den Betonierarbeiten verschiebt sich der Bewehrungsstahl. Nach dem erfolgten Ausschalen wird erkennbar, dass der Bewehrungsstahl nicht ordnungsgemäß eingebracht ist. Die Stahlbetondecke ist statisch nicht ausreichend tragfähig.
Es liegt ein nicht versicherter reiner Baumangel vor. Die Kosten für die Herstellung ausreichender Tragfähigkeit der Stahlbetondecke sind nicht versichert. Denn bei gebotener technischer Sichtweise sind Bewehrungsarbeiten und Betonierarbeit eine einheitliche (Teil)-Bauleistung, die insgesamt mangelhaft ist (vgl. hierzu auch Beispiel 3).
Beispiel 6: Aufgrund der mangelhaften Tragfähigkeit stürzt die Stahlbetondecke aus Beispiel 5 ein.
Es liegt kein reiner Baumangel vor, sondern es tritt darüber hinaus eine nachträgliche Veränderung der Sachsubstanz (Einsturz der Stahlbetondecke) ein. Ob die durch den Einsturz entstehenden Kosten aus Beispiel 6 versichert sind, ist fraglich. Gegen Versicherungsschutz kann sprechen, dass (mit der mangelhaften Armierung) der Bauleistung bereits bei Erstellung ein Mangel anhaftete. Versicherungsschutz kann allerdings bestehen, wenn durch den Einsturz die mangelbedingte Wert- bzw. Gebrauchsminderung weiter gemindert wurde (sog. Schadenvertiefung).
Ob in solchen Grenzfällen Versicherungsschutz unter der Bauleistungsversicherung besteht, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Für Bauunternehmer und Bauherren besteht jedenfalls ein signifikantes Risiko, dass der Versicherer die Kosten (zunächst) nicht übernimmt.
2.2 Folgen für die am Bauprojekt beteiligten Parteien
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten: Die Abgrenzung zwischen nicht versicherten Baumängeln und versicherten Sachschäden ist oftmals ein schwieriger Grenzfall. Nicht selten müssen Sachverständige die Abgrenzung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zwischen dem betroffenen Bauunternehmer und dem Versicherer vornehmen.
Der Bauunternehmer bleibt bei Vorliegen eines reinen Werkmangels vor Abnahme weiter zur Leistung verpflichtet und hat die Kosten der Mangelbeseitigung zu tragen. Der Bauherr trägt dann das Insolvenzrisiko des Bauunternehmers. Praktische Folge dieser Konstellation ist oftmals, dass viele Bauherren Zahlungen an Bauunternehmer hinauszögern, um bei Auftreten eines Mangels abgesichert zu sein. Gleichzeitig bilden Bauunternehmer höhere Rückstellungen, um Gewährleistungsansprüche erfüllen zu können.
Beide Folgen gehen in letzter Konsequenz zu Lasten aller Beteiligten.
3. Lösungsansätze
Um den unversicherten Bereich im Zusammenhang mit der Erbringung von Bauleistungen durch einen Bauunternehmer zu minimieren, sind unterschiedliche Lösungsansätze denkbar.
Nachfolgend werden zwei Lösungsansätze näher beschrieben: Die Vereinbarung vorteilhafter Ausschlussklauseln (3.1) sowie die Komplementierung der Bauleistungsversicherung durch zusätzliche Versicherungen (3.2).
3.1 Vereinbarung von vorteilhaften Ausschlussklauseln in der Bauleistungsversicherung
Der wohl marktüblichste Lösungsansatz ist die Vereinbarung vorteilhafter Ausschlussklauseln.
Begriffserklärung: vorteilhafte Ausschlussklausel
Die Bauleistungsversicherung ist grundsätzlich als All-Risk-Versicherung mit Kostenausschluss ausgestaltet. Das bedeutet, sämtliche notwendigen Kosten für die Wiederherstellung der beschädigten Sache sind grundsätzlich erst einmal vom Versicherungsschutz umfasst.[5] Von diesem Versicherungsschutz nimmt der Versicherer sodann gezielt Ausschlüsse für bestimmte Kosten vor (nachfolgend „Kostenausschlüsse“), bspw. den Ausschluss für die Entschädigung von reinen Mangelbeseitigungskosten.[6]
In der Praxis existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Bedingungswerke, die sich insbesondere dadurch unterscheiden, wie weitreichend die jeweiligen Kostenausschlüsse sind. Sämtlichen marktüblichen Bedingungswerken ist hierbei gemein, dass reine Mängelbeseitigungskosten sowie Kosten für die Verbesserung des ursprünglichen Entwurfs nicht vom Deckungsschutz umfasst sind. Von den vorbezeichneten fixen Ausschlüssen für Mangelbeseitigungs- und Verbesserungskosten abgesehen, existieren am Markt unterschiedliche Bedingungswerke, die in verschiedenen Abstufungen bestimmte Kosten in den Deckungsschutz der Bauleistungsversicherung einbeziehen. Je mehr Kosten vom Deckungsschutz umfasst sind, desto vorteilhafter gestaltet ist also die Ausschlussklausel für den Versicherungsnehmer.
Marktübliche Ausschlussklauseln
In marktüblichen Bedingungswerken vereinbaren die Parteien heute sog. Design-Exclusion (DE)- bzw. LEG-Klauseln.
Die DE-Klauseln wurden Anfang der 1980er Jahre erstmals von einer Gruppe hauptsächlich im Londoner Versicherungsmarkt angesiedelter Versicherer entworfen. Die DE-Klauseln unterscheiden fünf Ausschluss-Stufen (DE1 bis DE5). Mitte der 1990er Jahre brachte die London Engineering Group (kurz „LEG“) dann ebenfalls Ausschlussklauseln in Form der LEG-Klauseln auf den Markt. Die LEG-Klauseln unterscheiden – im Gegensatz zu den DE-Klauseln – lediglich drei Ausschluss-Stufen (LEG1 bis LEG3). Die LEG-Klauseln wurden ursprünglich schwerpunktmäßig für Elektro- und Ingenieurprojekte bzw. Montage-Allgefahrenversicherungen konzipiert, während die DE-Klauseln eher auf Hoch- und Tiefbauprojekte ausgerichtet sind.
Sowohl die DE- als auch die LEG Klauseln enthalten auf erster Stufe (DE1/LEG1) einen absoluten Ausschluss[7] für sämtliche Schäden am Bauwerk, die durch Mängel verursacht werden, und bietet dann stufenweise erweiterte Deckung. Gemein ist beiden Bedingungswerken auch, dass sie auf höchster Deckungsstufe (DE5/LEG3) lediglich reine Mängelbeseitigungskosten sowie Verbesserungskosten ausschließen, darüber hinaus jedoch umfassend Deckungsschutz gewähren (also bspw. für Sachfolgeschäden, Schäden an mangelhaften (Teil-)Gewerken oder für De- und Remontagekosten).[8]
Auch wenn die DE-Klauseln und die LEG-Klauseln als vergleichbar gelten, bestehen doch teils Unterschiede zwischen den Bedingungswerken. Eine tatsächliche inhaltliche Äquivalenz besteht allenfalls in Bezug auf DE1 und LEG1 sowie in Bezug auf DE5 und LEG3.
DE2 bis DE4 bzw. LEG2 erweitern den Deckungsschutz sukzessive. DE2 schließt Sachschäden an solchen Sachen aus, die sich entweder selbst in einem mangelhaften Zustand befinden (mangelhafte Sachen) oder die von einer mangelbehafteten Sache „abhängen“. Gedeckt sind allerdings Folgeschäden mangelbehafteter Sachen bzw. Gewerke an Sachen, die sich selbst nicht in mangelhaftem Zustand befinden. Für diese Deckungsstufe existiert innerhalb der LEG-Klauseln kein Äquivalent.
DE3 schließt bereits nur noch Sachschäden an mangelbehafteten Sachen selbst aus. Vom Versicherungsschutz gedeckt sind – im Unterschied zu DE2 – jedoch Folgeschäden an anderen, nicht mangelbehafteten Sachen – unabhängig davon, ob diese von der mangelbehafteten Sache bzw. einem mangelbehafteten Gewerk „abhängen“. Noch ein Stück weiter geht DE4. Die Klausel schließt nur noch solche Sachschäden aus, die an einer mangelhaften Teilleistung bzw. einem abgrenzbaren mangelbehafteten Teil einer Sache entstanden sind. Vergleichbare Deckung zu DE3/4 besteht bei Vereinbarung von LEG2.
Den unterschiedliche Deckungsschutz innerhalb der DE- bzw. LEG-Klauseln soll nachfolgendes Beispiel 7 verdeutlichen:
Ein Gebäude wird in Stahlskelettbauweise errichtet. Das Gebäude stürzt während der Bauzeit aufgrund mangelhafter Verbindungsbolzen ein. Zum Zeitpunkt des Einsturzes waren bereits das Dach und eine Ziegelwand errichtet sowie die Verkleidung teilweise fertiggestellt.
Unter DE1/LEG1 besteht keinerlei Deckungsschutz (denn sämtliche Schäden sind kausal auf die mangelhaften Verbindungsbolzen zurückzuführen). Unter DE2 besteht Deckungsschutz lediglich für die Wiederherstellung der Ziegelwand, da diese unabhängig von den Verbindungsbolzen errichtet wurde. Unter DE3/LEG2 ist vom Deckungsschutz lediglich die Wiederherstellung des Stahlgerüsts ausgeschlossen, sämtliche anderen Wiederherstellungskosten sind versichert. Unter DE4/LEG2 besteht bereits nur noch ein Ausschluss für die mangelhaften Verbindungsbolzen selbst und unter DE5/LEG3 ersetzt der Versicherer sämtliche Kosten, mit Ausnahme von Verbesserungskosten.
Als Marktstandard etabliert sind heute wohl DE3/LEG2-Klauseln. Bei der Vereinbarung von geringerem Deckungsschutz (bspw. DE1/2 oder LEG1) gewähren Versicherer nicht selten Prämiennachlasse. Entsprechend höher sind die Prämien bei der Vereinbarung von DE4/5- bzw. LEG3-Klauseln.
Durch die Vereinbarung vorteilhafter Kostenausschlüsse (DE3/DE4/LEG2 oder besser) können Versicherungsnehmer den unversicherten Bereich in der Bauleistungsversicherung somit bereits signifikant reduzieren.
3.2 Komplementierung der Bauleistungsversicherung durch weitere Versicherungen
Neben der Vereinbarung vorteilhafter Kostenausschlüsse besteht zudem die Möglichkeit, die Bauleistungsversicherung – z.B. im Rahmen einer umfassenden Projektversicherung – durch weitere Versicherungen zu ergänzen.
In den Fokus zu rücken ist hier bspw. die Baugewährleistungsversicherung.
Die Baugewährleistungssicherung deckt Schäden ab, die dem Versicherungsnehmer (z.B. einem Bauunternehmer) durch die berechtigte Inanspruchnahme aufgrund von Baumängeln entstehen. Ihrer Konzeption nach schützt die Baugewährleistungsversicherung also genau vor den Schäden, die die Bauleistungsversicherung nicht versichert – nämlich Erfüllungsansprüche aufgrund mangelhafter Bauleistung.
Beispiel 8: Die Bodenplatte aus Beispiel 3 wird wieder mangelhaft errichtet. Der Fundamentbauer verwendet falschen Beton. Das Fundament ist nicht dicht und bei Regen gelangt Wasser in die Bodenplatte. Die Bauleistung ist mangelhaft.
Die Kosten für die Ersetzung der mangelhaften Bodenplatte durch eine neue Bodenplatte sind im Rahmen der Baugewährleistungsversicherung jedoch grundsätzlich versichert.
Für den Versicherungsnehmer ist die Baugewährleistungsversicherung wie eine Haftpflichtversicherung ausgestaltet.[9] Die Baugewährleistungsversicherung deckt die Befriedigung begründeter Mängelansprüche durch Zahlung einer Entschädigung an den Auftraggeber ab. Darüber hinaus deckt sie regelmäßig auch die Kosten ab, die dem Versicherungsnehmer dadurch entstehen, dass er sich gegen unbegründete Mängelansprüche wehrt. Allerdings hat die Baugewährleistungsversicherung eine entscheidende Deckungslücke: Gegenstand der Versicherung sind nur solche Mängel, die die Beteiligten erst nach Abnahme des Gewerks entdecken. Mängel, die bereits vor Abnahme des Gewerks sichtbar werden, umfasst die Baugewährleistungsversicherung – wie auch die Bauleistungsversicherung – nicht.
Tritt ein Baumangel also vor Abnahme des Gewerks auf, bleibt der Bauunternehmer auch bei Abschluss einer Baugewährleistungsversicherung auf den Kosten, die ihm durch die Reparatur/Wiederherstellung seiner mangelhaften Leistung entstehen, sitzen.
4. Fazit
In der Bauleistungsversicherung sind reine Baumängel und damit zusammenhängende Kosten nicht versichert. Schwierig ist oftmals die Abgrenzung von Mängeln zu Mangel-Folgeschäden. Es existieren jedoch Möglichkeiten, bestehende Deckungslücken zu minimieren. Primär ist dies die Vereinbarung vorteilhafter Ausschlussklauseln (vorzugsweise DE3/4/LEG2 oder besser) sowie die Ergänzung des Deckungsschutzes durch weitere Versicherungen.
In strittigen Fällen, in denen der Bauleistungsversicherer eine Deckung ganz oder teilweise ablehnt, sollten projektbeteiligte Unternehmen frühzeitig juristischen Rat einholen, um teure Bauverzögerungen zu vermeiden.
Autor: Johannes Laiblin
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die VersicherungsPraxis 03-2023, S. 22 ff.
Literatur und Quellen:
[1] Vgl. zu den vorstehenden Ausführungen auch v. Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 36 Bauleistungsversicherung Rn. 1 ff.
[2] Lederer in Kapellmann/Messerschmidt VOB-Kommentar, Teil A/B, 8. Auflage 2022, VOB/B § 7 Rn. 81.
[3] Vgl. z.B. § A.2 Abs. 1 ABU/ABN oder auch Ziffer A1-2.1 ABBL 2018.
[4] BGH, Urteil vom 27. Juni 1979 - IV ZR 174/77, VersR 1979, 853, 854.
[5] So bspw. Ziffer A1-2.1 ABBL 2018: „Der Versicherer leistet Entschädigung für unvorhergesehen eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen von versicherten Sachen (Sachschaden).“
[6] Siehe hierzu bspw. Ziffer A1-2.3 (1) ABBL 2018: „Der Versicherer leistet keine Entschädigung für Mängel der versicherten Lieferungen und Leistungen sowie sonstiger versicherter Sachen.“
[7] Vgl. beispielhaft den Wortlaut der DE1-Clause (Outright Defects Exclusion (1995)): „This Policy excludes loss of or damage to the Property Insured due to defective design plan specification materials or workmanship.“
[8] Einen mit den DE5/LEG3 vergleichbaren Versicherungsschutz bieten bspw. auch die erweiterten Deckungsklauseln in ABN/ABU oder WEL-CAR END 1.
[9] Vgl. v. Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 36 Bauleistungsversicherung Rn. 101 ff.
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