Bestrittene Forderungen und deren (Wieder-)Einschluss unter den Deckungsschutz der Warenkreditversicherung
Bestrittene Forderungen und deren (Wieder-)Einschluss unter den Deckungsschutz der Warenkreditversicherung
Der Deckungsschutz der Warenkreditversicherung umfasst regelmäßig nur unbestrittene Forderungen. Problematisch ist, dass bestrittene Forderungen selbst dann ein Risiko für den Versicherungsschutz darstellen können, wenn der Versicherungsnehmer die Forderung letztlich erfolgreich gerichtlich durchsetzt.
Ihr Ansprechpartner
Bei welchen Fallkonstellationen die Deckung in der Kreditversicherung gefährdet sein kann, zeigt der nachfolgende Beitrag an konkreten Fallbeispielen auf und erörtert die Punkte, auf die beim Abschluss eines Warenkreditversicherungsvertrags zu achten ist.
1. Problemstellung
Viele Unternehmen räumen ihren Kunden nach der Rechnungsstellung der erbrachten Leistung ein Zahlungsziel von einigen Wochen oder Monaten (üblicherweise 30, 60 oder 90 Tage) ein und übernehmen somit das wirtschaftliche Risiko, mit ihren Forderungen bei einer zwischenzeitlich eintretenden Zahlungsunfähigkeit ihrer Kunden auszufallen. Um diesem Ausfallrisiko zu begegnen, sichern viele Unternehmen ihre Forderungen aus Lieferanten- und Warenkrediten durch den Abschluss einer Warenkreditversicherung ab.
Eine Warenkreditversicherung schützt das versicherte Unternehmen jedoch nur vor den finanziellen Folgen der Zahlungsunfähigkeit seiner Kunden. Das Risiko, dass ein Kunde die ihm in Rechnung gestellte Forderung bestreitet, deckt die Warenkreditversicherung nicht ab[1].
Versicherungsschutz besteht in der Warenkreditversicherung zudem nur dann, wenn die mit dem Versicherer vereinbarte Höchsthaftung für offene Forderungen des versicherten Unternehmens noch nicht erreicht ist. Aus diesem Grund kann es in der Praxis eine bedeutende Rolle spielen, ob bestrittene Forderungen auf die Versicherungssumme anzurechnen sind oder nicht und welche Zeitpunkte für eine mögliche Anrechnung maßgeblich sind.
Nach rechtskräftiger Titulierung der zunächst vom Kunden bestrittenen Forderung fallen auch bestrittene Forderungen wieder unter den Versicherungsschutz der Warenkreditversicherung. Risiken können bei einer solchen Fallgestaltung daraus folgen, dass das Nachrücken einer zunächst bestrittenen und dann titulierten oder anerkannten Forderung zu einer Überschreitung des äußersten Kreditlimits führen kann.
Bei einer solchen Konstellation besteht die Möglichkeit, dass eine zunächst versicherte Forderung wieder aus dem Versicherungsschutz herausfällt. Das versicherte Unternehmen könnte daher mit einer Forderung ausfallen, obwohl es sich durch den Abschluss einer Warenkreditversicherung gerade gegen dieses Ausfallrisiko absichern wollte.
2. Einredefreie Forderung ist Voraussetzung für den Versicherungsschutz
Die primäre Risikobeschreibung der Warenkreditversicherung folgt aus dem zwischen dem Unternehmen und dem Versicherer geschlossenen Versicherungsvertrag.
2.1 Aufbau eines Warenkreditversicherungsvertrags
Bei der Warenkreditversicherung schließt das versicherte Unternehmen mit dem Warenkreditversicherer einen Rahmenvertrag ab. Der sogenannte Mantelvertrag bildet den rechtlichen Rahmen des Warenkreditversicherungsvertrags und nimmt regelmäßig Bezug auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Warenkreditversicherung.
Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) liegen nicht vor. Schon aufgrund der unterschiedlichen internationalen Ausrichtungen unterscheiden sich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB-WKV) im Detail. Dieses Umstands ungeachtet bildeten sich in der Vergangenheit weitgehend einheitliche Marktstandards heraus.
In einem zweiten Schritt beantragt das versicherte Unternehmen nach Abschluss des Mantelvertrags für jeden seiner Kunden mit einem Kreditantrag Einzeldeckungen beim Versicherer. Der Warenkreditversicherer entscheidet über die einzelnen Anträge des versicherten Unternehmens im Wege einer Kreditmitteilung. Die Übernahme des Versicherungsschutzes für einen Kunden folgt aus einem dem Rahmenvertrag nachgeordneten Einzelvertrag[2] zwischen Unternehmen und Versicherer.
Obligatorische Deckungszusagen erteilt der Warenkreditversicherer nicht. Jede einzelne Deckungszusage beruht auf einer eingehenden Prüfung der Bonität des zu versichernden Kunden. Dies hat zur Folge, dass der Warenkreditversicherer berechtigt ist, den Kreditantrag abzulehnen oder nur mit einer geringeren Versicherungssumme anzunehmen.
2.2 Primäre Risikobeschreibung in den AVB-WKV
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB-WKV) in der Warenkreditversicherung sehen regelmäßig vor, dass Versicherungsschutz für vertraglich begründete Forderungen besteht, die frei von Gegenrechten des Kunden des versicherten Unternehmens sind und/oder, dass die Forderungen einredefrei und unbestritten sind.
Zusammenfassend besteht dann kein Versicherungsschutz, wenn das versicherte Unternehmen seine Forderung gegen seinen Kunden rechtlich nicht durchsetzen kann[3].
3. Ausschluss und Wiedereinschluss bestrittener Forderungen
Manche einschlägigen allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB-WKV) enthalten in der sekundären Risikobeschreibungen einen Risikoausschluss dahingehend, dass bestrittene Forderungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass solche Regelungen in den AVB einer Forderungsausfallversicherung wirksam sind und den Versicherungsschutz nicht aushöhlen [4].
Die benannten AVB-WKV legen regelmäßig fest, dass ein „Bestreiten“ einer Forderung dann vorliegt, wenn der Kunde des versicherten Unternehmens Einreden oder Einwendungen gegen den Bestand oder die Höhe der Forderung erhebt und dies mit der Weigerung des Kunden des versicherten Unternehmens einhergeht, die Forderung (gänzlich) zu begleichen.
Welche Folgen ein einfaches Bestreiten des Lieferanten für das versicherte Unternehmen haben kann, zeigt folgendes Beispiel auf:
Beispiel 1:
Im Jahr 2017 führte das bei der Y-Versicherung versicherte Unternehmen Z für die X-GmbH Leistungen aus und stellte der X-GmbH im Mai 2017 EUR 100.000,00 in Rechnung. Die X-GmbH zahlte hierauf nur EUR 15.000,00. Die Y-Versicherung teilte seiner Versicherungsnehmerin Z mit, dass die X-GmbH Einwendungen gegen die restliche Forderung von EUR 85.000,00 erhebt und daher kein Versicherungsschutz besteht.
Die Z erwirkte im November 2017 ein Versäumnisurteil, mit welchem das zuständige Landgericht die X-GmbH verurteilte, an die Z EUR 85.000,00 nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Der hiergegen von X-GmbH erhobene, jedoch nicht begründete Einspruch verwarf das zuständige Gericht mit Zweitem Versäumnisurteil im Januar 2018. Im März 2018 eröffnete das zuständige Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH. Die Z fordert von der Y-Versicherung AG die Versicherungsleistung für die ausgefallene Forderung gegen die X-GmbH abzüglich der im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbeteiligung. Die Y-Versicherung lehnt ihre Einstandspflicht unter Hinweis auf die vereinbarten AVB-WKV ab.
Der Bundesgerichtshof entschied in diesem Fall, dass die Y-Versicherung nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Hintergrund für diese Entscheidung war, dass die dem streitigen Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AVB-WKV einen sekundären Risikoausschluss für bestrittene Forderungen enthielten. Einen Wiedereinschluss für eine zunächst bestrittene und später rechtskräftig festgestellte Forderung regelten die streitigen AVB-WKV nicht.
3.1 Wiedereinschluss rechtskräftig titulierter Forderungen
Um ein wie im Beispiel 1 dargestelltes Ergebnis zu vermeiden, muss ein Unternehmen bei Abschluss eines Warenkreditversicherungsvertrags darauf achten, dass die AVB-WKV den Wiedereinschluss unter den Versicherungsschutz von zunächst bestrittenen und später rechtskräftig festgestellten oder anerkannten Forderungen regeln. Allgemeine Versicherungsbedingungen, die solche Regelungen enthalten, sind am Markt erhältlich.
Selbst wenn die AVB-WKV vorsehen, dass eine durch ein Gericht oder Schiedsgericht rechtskräftig oder auch durch schriftliches Anerkenntnis festgestellte Forderung wieder unter den Versicherungsschutz fällt, ist besondere Vorsicht geboten. Denn einige marktgängigen AVB-WKV normieren als weitere Voraussetzung für den Versicherungsschutz, dass eine Vollstreckbarkeitserklärung der titulierten Forderung im Land des Kunden des versicherten Unternehmens vorliegt. Bei Auslandsforderungen kann dies in der Praxis zu Risiken führen.
Beispiel 2:
Ein versichertes Unternehmen, das mit seinem uruguayischen Kunden deutsches Recht und deutschen Gerichtsstand vereinbarte, erwirkt ein Urteil vor einem deutschen Gericht gegen seinen Kunden in Uruguay. Das Urteil des deutschen Gerichts wird in der Folge jedoch nicht in Uruguay für vollstreckbar erklärt.
Im Beispielsfall fällt die Forderung nicht unter den Versicherungsschutz. Da Urteile deutscher Gerichte im Ausland häufig nicht oder nur mit erheblichem Aufwand für vollstreckbar erklärt werden können, bergen AVB-WKV, die eine solche zusätzliche Voraussetzung enthalten, also ein Risiko für das versicherte Unternehmen.
Eine Klausel zur Vollstreckbarkeitserklärung in den AVB-WKV führt letzten Endes zu einer weiteren Voraussetzung für den Versicherungsschutz, die das versicherte Unternehmen im schlechtesten Falle nicht herbeiführen kann.
3.2 Zeitpunkt des Wiedereinschlusses einer titulierten Forderung unter den Versicherungsschutz
Der Zeitpunkt, in dem eine zunächst bestrittene und später rechtskräftig titulierte Forderung wieder unter den Versicherungsschutz der Warenkreditversicherung fällt, kann in der Praxis große Auswirkungen haben. Auch hierauf sollten Unternehmen die jeweils einschlägigen Regelungen in den AVB-WKV genau prüfen.
Beispiel 3:
Wie beim Beispiel 1 erwirkt das versicherte Unternehmen Z ein rechtskräftiges Urteil gegen die X-GmbH. Die AVB-WKV mit der Y-Versicherung regeln, dass zunächst rechtskräftig titulierte Forderungen mit Eintritt der Rechtskraft wieder unter den Versicherungsschutz fallen. Rechtskraft der von Z gegen die X-GmbH titulierten Forderung tritt im Januar 2018 ein. Das Kreditlimit auf die X-GmbH hatte die Y-Versicherung jedoch bereits mit Wirkung zum 31. Dezember 2017 wieder aufgehoben.
Im Beispiel 3 läuft der Einschluss der zunächst bestrittenen und sodann rechtskräftig titulierten Forderung gegen die X-GmbH unter den Versicherungsschutz leer. Grund hierfür ist, dass Rechtskraft erst im Januar 2018 eintrat und das Kreditlimit für den Kunden zum 31. Dezember 2017 endete. Zum gleichen Ergebnis führt eine Kündigung des Versicherungsschutzes oder eine vertragsgemäße Beendigung der Warenkreditversicherung zum 31. Dezember 2017.
Das versicherte Unternehmen verliert im Beispiel 3 den Versicherungsschutz endgültig und hat keine Möglichkeit mehr, die Forderung (nachträglich) zu versichern. Ein solches Ergebnis ist für das versicherte Unternehmen ein, wenn überhaupt, nur schwer kalkulierbares Risiko.
Um dieses Risiko zu minimieren, sollten Unternehmen bei Abschluss eines Warenkreditversicherungsvertrages auf bestimmte Regelungen in den AVB-WKV achten.
Zunächst sollten die AVB-WKV in der primären Risikobeschreibung eine Regelung dahingehend enthalten, dass jede Forderung, egal ob bestritten oder nicht, grundsätzlich versichert ist.
Am Markt erhältliche AVB-WKV enthalten die dargestellten primären Risikobeschreibungen, machen für die Zahlung der Entschädigungs- bzw. Versicherungsleistung jedoch zur weiteren Voraussetzung (sekundäre Risikobeschreibung), dass die rechtliche Durchsetzbarkeit der versicherten Forderung unstreitig ist.
Auf den ersten Blick mag es keinen Unterschied machen ob bestrittene Forderungen bereits in der primären oder nur in der sekundären Risikobeschreibung vom Versicherungsschutz der Warenkreditversicherung ausgenommen sind. Ein Ausschluss in der sekundären Risikobeschreibung hat jedoch weitreichende Auswirkungen auf den Zeitpunkt, ab wann Versicherungsschutz besteht. Im Gegensatz zu dem Ergebnis im 3. Beispielsfall wäre die zunächst bestrittene und später rechtskräftig festgestellte Forderung nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft im Januar 2018 versichert, sondern bereits zum Zeitpunkt des ersten Einschlusses in den Versicherungsschutz. Der erste Einschluss in den Versicherungsschutz wäre jedoch das Entstehen der (bestrittenen) Forderung und nicht erst deren rechtskräftige Feststellung. Eine Beendigung des Kreditversicherungsvertrags (durch Kündigung oder Zeitablauf) zum 31.12.2017 hätte dann nicht zur Folge, wie im Beispielsfall 3 aufgezeigt, dass die Forderung gegen die X-GmbH nicht (mehr) unter den Versicherungsschutz fällt.
3.3 Anrechnung bestrittener Forderungen auf die Versicherungssumme
Zunächst bestrittene und später titulierte Forderungen führen in der Warenkreditversicherung auch im Zusammenhang mit der Versicherungssumme bzw. des äußersten Kreditlimits zu offenen Fragen.
Welche Probleme in diesem Zusammenhang auftreten können zeigt folgender Beispielsfall:
Beispiel 4:
Das Unternehmen Z beantragt bei der Y-Versicherung AG, wie bei der Warenkreditversicherung üblich, für jeden seiner Kunden mit einem Kreditantrag Einzeldeckungen. Auch für die Forderungen gegen die X-GmbH beantragt Z eine Einzeldeckung. Die Y-Versicherung erteilt der Z im März 2017 Deckungszusage durch Erteilung einer Versicherungssumme mittels einer sogenannten Kreditmitteilung in Höhe von EUR 150.000,00 für die Forderungen gegen die X-GmbH.
Die Z hat folgende Forderungen gegen die X-GmbH, (1) EUR 100.000,00 aus Mai 2017; (2) EUR 100.000,00 aus Dezember 2017 und (3) EUR 50.000,00 aus Januar 2018. Wie in den vorangegangenen Beispielsfällen bestreitet die X-GmbH die Forderung (1) über EUR 100.000,00 aus Mai 2017 in Höhe eines Teilbetrags von EUR 85.000,00.
Die AVB-WKV der Y-Versicherung enthalten keine Regelung dahingehend, ob sich Z die (zunächst) bestrittene Forderung auf die Versicherungssumme von EUR 150.000,00 anrechnen lassen muss oder nicht.
Erst nach rechtskräftiger Titulierung der zunächst bestrittenen Forderung im Februar 2018 steht fest, dass die Forderung (1) EUR 100.000,00 aus Mai 2017 in voller Höhe unter den Versicherungsschutz fällt.
Für die bis Februar 2018 nachgerückten Forderungen (2) und (3) von insgesamt EUR 150.000,00 entfällt der zunächst vorhandene Versicherungsschutz nachträglich wieder in Höhe von EUR 85.000,00. Grund hierfür ist die vereinbarte Versicherungssumme von EUR 150.000,00. Durch die zunächst bestritte später rechtskräftig festgestellte Forderung von EUR 85.000,00 steht die Versicherungssumme im Februar 2018 nicht mehr in voller Höhe zur Verfügung.
Hätte bereits im Januar 2018 festgestanden, dass die zunächst bestrittenen EUR 85.000,00 doch noch (nachträglich) unter den Versicherungsschutz fallen, hätte die Z die Warenlieferung im Januar 2018 an die X-GmbH über EUR 50.000,00 nicht mehr erbracht.
Das Beispiel 4 zeigt folgendes Risiko auf: Auch wenn AVB-WKV vorsehen, dass bestrittene Forderungen nach deren rechtskräftigen Feststellung unter den Versicherungsschutz fallen, kann ein im Versicherungsvertrag vereinbartes Limit dazu führen, dass ein versichertes Unternehmen mit einer (Teil-) Forderung ausfällt. Der Forderungsausfall betrifft bei einer solchen Konstellation nachfolgende Forderungen, welche zunächst vom Versicherungsschutz der Warenkreditversicherung umfasst waren.
Dieses wirtschaftliche Risiko muss ein Unternehmen beim Abschluss eines Warenkreditversicherungsvertrags in jedem Fall berücksichtigen und im Zweifelsfall hierzu anwaltlichen Rat einholen.
4. Weiteres Problemfeld: Meldeobliegenheiten bei bestrittenen Forderungen
Alle AVB-WKV enthalten Regelungen zur Anzeige- und Auskunftsobliegenheiten.
Teilweise enthalten AVB-WKV Regelungen dahingehend, dass das versicherte Unternehmen die Überschreitung des äußersten Kreditziels dem Warenkreditversicherer unverzüglich anzuzeigen hat.
Ältere AVB-WKV sehen sogar vor, dass eine solche Anzeigepflicht besteht, gleichgültig ob es sich um versicherte oder unversicherte bzw. bestrittene oder unbestrittene Forderungen handelt.
Die Meldung der Kreditzielüberschreitung führt regelmäßig zur Aufhebung des Kreditlimits für den Kunden des versicherten Unternehmens. Da das äußerste Kreditziel bei mit einer Einrede behafteten Forderung jedoch nicht zu laufen beginnt[5], kann auch keine Meldepflicht bei Erreichen des äußersten Kreditziels durch eine bestrittene Forderung bestehen.
Sollten in AVB-WKV Regelungen enthalten sein, nach denen auch bei bestrittenen Forderungen eine Überfälligkeit vom versicherten Unternehmen zu melden ist, sind diese regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Neuere AVB-WKV knüpfen eine Meldepflicht nicht mehr an die Kreditzielüberschreitung, sondern an die vereinbarte Fälligkeit der Forderung. Auch bei solchen Regelungen in den AVB-WKV wurde diskutiert, ob bestrittene Forderungen unter die Meldeobliegenheit fallen. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Meldepflicht jedoch verneint[6].
5. Fazit
Nur unbestrittene Forderungen aus Lieferung und Leistung sind Gegenstand der Warenkreditversicherung. Weitere Voraussetzung ist, dass dem Versicherungsnehmer eine ausreichend hohe Versicherungssumme (äußerstes Kreditlimit) zur Verfügung steht.
Bei Abschluss eines Warenkreditvertrags muss ein Unternehmen die Regelungen in den AVB-WKV zum Wiedereinschluss einer zunächst bestrittenen und später rechtskräftig festgestellten Forderung unter den Versicherungsschutz sorgfältig prüfen. Durch das Rangverhältnis von zunächst bestrittenen und später rechtskräftig festgestellten Forderungen mit weiteren Forderungen kann wegen des Erreichens des äußersten Kreditlimits der Versicherungsschutz in der Warenkreditversicherung für zunächst unter den Versicherungsschutz fallende Forderungen wieder entfallen.
Eine fachlich qualifizierte Prüfung der dem jeweiligen Kreditversicherungsvertrag zugrundeliegenden AVB-WKV ist in vielen Fällen angezeigt, um mögliche finanzielle Risiken soweit als möglich zu reduzieren.
Autorin: Petra Ruf
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift Die VersicherungsPraxis 10-2021, S. 31 ff.
Literatur und Rechtsprechung:
[1] Fortmann, Die Investitionsgüterkreditversicherung, 1989, S. 60
[2] Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, § 22 Kreditversicherung Rn. 29, beck-online
[3] OLG Hamburg v. 7.2.1996 – 5 U 133/95, VersR 1996, 1102; Wittchen, Fn. 9, S. 43
[4] BGH, Hinweisbeschluss vom 15.2.2017 – IV ZR 202/16
[5] OLG Hamburg, Urteil vom 7. Februar 1996, Az. 5 U 133/95
[6] BGH, Urteil vom 15. Februar 2017, Az. IV ZR 202/16 (VersR 2017, 948)
Mehr Aktuelles:
Mehr Aktuelles:
Verzinsung von Versicherungsleistungen – Potenziale und Fallstricke in der Praxis
Verzinsung von Versicherungsleistungen – Potenziale und Fallstricke in der Praxis
Umfangreiche Sachschäden reguliert der Versicherer oft erst nach Jahren. Stehen Versicherungsnehmern in diesem Fall Zinsen zu? Johannes Laiblin und Tobias Wessel geben darauf Antworten.
"Top-Kanzlei für Prozessführung": WirtschaftsWoche zeichnet WILHELM aus
"Top-Kanzlei für Prozessführung": WirtschaftsWoche zeichnet WILHELM aus
In ihrer aktuellen Ausgabe zeichnet die WirtschaftsWoche die führenden Kanzleien in der gerichtlichen Streitbeilegung aus. WILHELM ist erstmalig unter den genannten "Top-Kanzleien" und Dr. Fabian Herdter einer der führenden Anwälte.
Exportkreditgarantien: Lückenhafter Schutzschild für kritische Ausfuhrprojekte?
Exportkreditgarantien: Lückenhafter Schutzschild für kritische Ausfuhrprojekte?
In seinem Vortrag bei der Veranstaltung „Kreditrisiken 2024“ des GVNW erläuterte Dr. Fabian Herdter die Fallstricke der auch als Hermesdeckungen bekannten Exportkreditgarantien.
In anderen Umständen: Was bringt eine Umstandsmeldung in der D&O-Versicherung?
In anderen Umständen: Was bringt eine Umstandsmeldung in der D&O-Versicherung?
Die Meldung von Umständen ist ein wichtiges Instrument für Versicherungsnehmer und versicherte Manager in der D&O-Versicherung. Worauf dabei zu achten ist, erklärt Dr. Fabian Herdter.
Der fragwürdige Einwand der Kardinalpflichtverletzung in der D&O
Der fragwürdige Einwand der Kardinalpflichtverletzung in der D&O
Wenn der Versicherer dem Manager die Verletzung „elementarer Berufspflichten“ vorwirft, ist der Versicherungsschutz schnell verloren. In seinem Vortrag auf dem DGVH-Tage kritisierte Dr. Friedrich Isenbart diese Praxis in einem Vortrag.
Zwischen Ressort- und Gesamtverantwortung: Welcher Vorstand haftet wann?
Zwischen Ressort- und Gesamtverantwortung: Welcher Vorstand haftet wann?
Grundsätzlich tragen alle Mitglieder des Vorstands Verantwortung für das Unternehmen. Doch lässt sich durch eine Ressortverteilung die Haftung minimieren? Dr. Mark Wilhelm zeigt Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Vorhabens auf.
Cyberversicherung: Stolperfallen in der Schadenregulierung
Cyberversicherung: Stolperfallen in der Schadenregulierung
Nach Cyberangriffen kommt es häufig zu Diskussionen über den Versicherungsschutz. Mit Einwänden versuchen Cyberversicherer ihre Leistungspflicht zu begrenzen. Dr. David Ulrich wirft einen Blick auf häufige Streitpunkte.
Handelsblatt, WirtschaftsWoche und FOCUS Business zeichnen WILHELM aus
Handelsblatt, WirtschaftsWoche und FOCUS Business zeichnen WILHELM aus
Alle drei Jahres-Rankings zählen unsere Sozietät erneut zu den führenden Kanzleien im Versicherungsrecht. Die vom Handelsblatt befragten Juristen würdigten zudem unsere Expertise in M&A und Konfliktlösung.
Rücktritt und Anfechtung in der Cyberversicherung: Aktuelle Urteile und Handlungsempfehlungen
Rücktritt und Anfechtung in der Cyberversicherung: Aktuelle Urteile und Handlungsempfehlungen
Wann darf der Cyberversicherer den Vertrag anfechten? Dr. Fabian Herdter analysiert zwei aktuelle Urteile zur vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung.